Herzlich Willkommen im Wintersemester an der sog. Freien Universität

Liebe Kommiliton_innen, liebe Erstis und Langzeitstudis,

einen ausführlichen Brief von uns bekommt ihr in den nächsten Tagen noch per Mail. In aller Kürze möchten wir euchim Namen des AStA aber jetzt schon im Wintersemester 2020/2021 an der sog. Freien Universität willkomen heißen.

Insbesondere an alle die heute zum ersten Mal in ein Semester an der sog. Freien Universitätstarten hat unsere Vorsitzende Johanna ein paar Worte gerichtet. Aber auch allen denen wir bisher entgangen sind wollen wir uns kurz vorstellen!

Angepasst an die Erfordnernisse der aktuellen Pandemiesituation und damit ihr euch schonmal an das digitale Semester gewöhnen könnt haben wir unsere Begrüßungsworte auf Video an euch gerichtet: https://www.facebook.com/astafuberlin/videos/2765998047052717

Einen guten Start ins (digitale) Semester wünscht euch euer AStA FU!

 

 

Für alle die die Rede nochmal nachlesen möchten gibt es sie im Folgenden auch in Schriftform:

(...)

AStA steht für Allgemeiner Studierendenausschuss und ist die zentrale politische Stimme der Studierenden an der FU. Das heißt, wir versuchen, die Interessen der Studierenden zu wahren und auf politische Entwicklungen an der Hochschule und in Berlin Einfluss zu nehmen. 

Bei uns findet ihr unter anderem kostenlose Beratungsangebote mit verschiedensten Schwerpunkten, die euch kostenlos unterstützen, solltet ihr während eures Studiums Schwierigkeiten bekommen. Sei es bei Problemen mit Dozent*innen, dem Bafög-Amt oder bei verschiedenen Formen von Diskriminierung. Dafür könnt ihr euch jederzeit an unsere explizit studi-solidarischen Beratungen wenden. Mehr Infos zu den Beratungen, wo und wann sie stattfinden, findet ihr auf unserer Website astafu.de. Außerdem könnt ihr Zuschüsse oder Befreiung von den knapp 200€ Semesterticketbeitrag beantragen. Neben diesen studieparteischen Service-Angeboten ist der AStA vor allem eine politische Institution. Als Gremium teilt sich der AStA in insgesamt 13 Referate auf, die unterschiedliche inhaltliche Schwerpunkte haben. 

Mein Name ist [ ], ich bin seit [ ] Jahren Referent(*in) für [ ] im AStA FU und möchte euch heute auf einige Dinge aufmerksam machen.      

Erst einmal meinen herzlichen Glückwunsch an euch alle, die ihr es an die Uni geschafft habt. Offene, zugangsfreie Bildung ist leider keine Selbstverständlichkeit, und längst nicht in allen Fächern oder Fachbereichen sind Bewerber*innen in ihren Wunschstudiengang reingekommen. Viele sind leider bereits jetzt auf der Strecke geblieben – entweder wartend auf eine neue Chance in einem neuen Semester oder sich abwendend von dem Wunsch des Studiums.

Bezeichnend ist dabei auch, dass nicht einmal jede*r zweite Abiturent*in aus einer Arbeiter*innenfamilie an die Uni geht, bei Akademiker*innenkindern mit Hochschulreife sind es über 80 Prozent. Ganz zu schweigen davon, dass wesentlich weniger Kinder aus Arbeiter*innenfamilien überhaupt das Abitur erreichen.  

Neben dieser Form der Abgrenzung gibt es auch noch weitere Gründe, aus denen Menschen der Zugang zu universitären Bildungseinrichtungen verwehrt bleibt. Zu sehen ist das zum Beispiel auch daran, dass Universitäten in Deutschland immer noch ein weiß dominierter Raum sind. 

Habt ihr es an die Uni geschafft, bedeutet das aber noch immer nicht Chancengerechtigkeit für alle: Der Bachelor soll in einer Regelstudienzeit von 3 Jahren absolviert werden. Die Einhaltung der straffen Zeitpläne, welche von der Universität vorgegeben werden, ist für Menschen, die sich ihren eigenen Lebensunterhalt verdienen müssen, Kinder haben, oder für Studierende mit Behinderung, chronischer Krankheit oder psychischen Beeinträchtigungen fast unmöglich und trifft diese besonders hart.

Außerdem offenbaren sie ein entmündigendes Bildungsverständnis, bei dem wir als Studierende nicht frei bestimmen dürfen, mit welchen wissenschaftlichen Themen wir uns auseinandersetzen wollen. Stattdessen ist die Uni der Meinung, sie wüsste besser als wir, was es zu lernen gilt und nicht zuletzt: wofür es zu lernen gilt. Bildung bedeutet oft, sich für einen Beruf zu qualifizieren – Bildung sollte jedoch auch zu kritischem Hinterfragen befähigen, das bedeutet, nicht alles zu glauben, was einem vorgegeben wird.

Bildung sollte bedeuten, zu einem mündigen, reflektierten Menschen heranzuwachsen; und nicht zuletzt sollte Bildung auf den eigenen Interessen und Bedürfnissen beruhen und nicht nur denen des Arbeitsmarktes. Auch wenn wir es aus der Schule leider nicht anders kennen: Es kann ein Bildungsverständnis geben, das auf Hierarchiefreiheit, Selbstbestimmung und Eigeninteressen beruht – davon ist das Studium an der FU Berlin jedoch weit entfernt.

Studium könnte heißen, uns auf freiwilliger Basis mit dem zu beschäftigen, was uns interessiert. Stattdessen kriegen wir meist exakte Studienverlaufspläne, eng beschnittene Modulauswahl und völlig überfüllte Beispielstundenpläne vorgesetzt. Für Hobbies, Sozialleben, eine anständige Essenpause und einfach mal Ausschlafen ist in diesem Beispielleben kaum noch Zeit.                

Doch diese Indoktrination und Entmündigung setzt bereits viel früher in unserem Leben an, sei es in Form mancher Studienberatung, eurer alten Schule oder oft auch schon in der Familie: Viele wollen uns glauben machen, dass unser Studium bloß dazu dienen würde, einen Abschluss zu erlangen, damit wir später die bestmöglichen Chancen auf dem internationalen Arbeitsmarkt haben werden. Und dass wir Leistung erbringen müssen, um im Berufsleben „Erfolg“ zu haben oder überhaupt überleben zu können, ganz nach dem Motto: Schule, Studium, Arbeit, Rente, Tod.

Aber wir sollten uns dabei die Frage stellen, woran Erfolg überhaupt gemessen wird und gemessen werden kann. Etwa an einer Note? Am Einstiegsgehalt? An der Anzahl unbezahlter Praktika? etwa an der Schnelligkeit des Studienabschlusses? der Fülle des Stundenplans und der Menge an verlorener Zeit, in der man Akkordlernen betrieben hat?

Ich sage: Nein, wir müssen Erfolg auch anders bewerten können.            

Denn Erfolg kann auch bedeuten, sich trotz des ganzen Drucks von außen mal Zeit für sich selbst zu nehmen, entspannende Momente mit Freund*innen zu teilen, ein neues Hobby zu entdecken oder einfach mal die Seele baumeln zu lassen.

Erfolgreich können wir auch sein, indem wir uns für eine bessere Welt einsetzen. Denn die Uni kann ein Ort sein, an dem es nicht bloß darum geht, sich für das bestmögliche Funktionieren auf dem internationalen Arbeitsmarkt trimmen zu lassen. Sie kann auch ein Ort von vielen sein, von denen eine emanzipatorische Veränderung ausgeht.

Jeden Schritt in eine solidarische Gesellschaft, die frei von Diskriminierung und Unterdrückungen ist, können wir als Erfolg verbuchen – auch ohne, dass wir dafür benotet oder befördert werden.

 Aber wie kann emanzipatorisches Handeln in unserem Leben aussehen? Ein emanzipatorischer Alltag kann vieles sein. Ein Element davon kann eine basisdemokratische Selbstorganisierung sein, denn wir selbst als Individuen müssen unsere eigenen Interessen und Bedürfnisse wahrnehmen, und nicht nur an Repräsentant*innen, wie bspw. den AStA abgeben. 

Ob es nun ein selbstorganisierter Lesekreis ist, das Engagement in einer Fachschaftsinitiative oder die Organisierung in einer Hochschulgruppe: Wir als AStA der Freien Universität bewerten all solche Tätigkeiten als Erfolg und versuchen immer wieder eure eigenen, emanzipatorischen Projekte zu unterstützen. Für alle Bafög-Bezieher*innen eine positive Nachricht: Wer sich hochschulpolitisch engagiert, hat das Recht auf eine Bafögverlängerung über die Regelstudienzeit hinaus. Dazu beraten wir euch gerne.

Und deshalb rufen wir euch auf: Bietet euren Profs die Stirn, wenn sie sich mal wieder zu weit aus dem Fenster lehnen und gegen ihre eigenen Uniregeln verstoßen;

schaut links und rechts von eurem Studienplan, auch andere Fachbereiche haben spannende Veranstaltungen;

beschäftigt euch mit kritischen Wissenschaftler*innen, die über die bestehenden Verhältnisse hinausdenken und sie verändern wollen;

tragt den politischen Kampf für eine befreite Gesellschaft an die Uni und in die Stadt.             

Egal was davon ihr macht, traut euch radikal zu denken und radikal zu handeln. Denn nur so lassen sich die Probleme unserer Gesellschaft an der Wurzel packen, um den autoritären Tendenzen zu trotzen und die Gesellschaft grundlegend zu verändern. Und das liegt nicht in den Händen einiger weniger, die gewählt werden, sondern in der Verantwortung jeder einzelnen Person. 

Jetzt sind wie nie zuvor solidarische Strukturen zum Auffangen der Geschwächten in der Gesellschaft notwendig, etwa um mit dem Stress vom Studium umgehen zu können oder Nachbar*innen zu versorgen, die einer Risikogruppe angehören.

Durch das Online-Semester mussten wir erleben, dass es noch schwieriger als ohnehin schon ist, in der Uni Anschluss zu finden und sich mit Komiliton*innen zu vernetzen, sowohl privat als auch politisch. Wenn wir zu Hause allein vor unserem Computer sitzen, fehlt vielfach der Raum, uns mit anderen über Themen auszutauschen, die über die reinen Studieninhalten hinausgehen. 

Wie können wir zusammenkommen, wenn wir uns während unserer Veranstaltungen nicht sehen? Wie sollen wir uns kennenlernen und zusammenschließen, wenn wir uns nur in der Anonymität des digitalen Raums begegnen? Wie können wir ohne diese Vernetzung der leistungsorientierten Willkür entgegentreten?

Die Erfahrungen des letzten Semesters haben uns gezeigt, dass digitales Studieren bekannte Probleme verstärkt und zusätzlich neue Probleme mit sich bringt. Übermäßige, oft wenig sinnvolle Arbeitsanforderungen, unklare Leistungsvorgaben und fehlende Kontrollmechanismen führen zu erschwerten bis unmöglichen Studienbedingungen.

Hinzu kommt für uns alle die gestiegene psychische Belastung durch die Pandemie und ihre gesellschaftlichen und persönlichen Auswirkungen.

Deshalb ist es wichtiger denn je, uns solidarisch innerhalb der Uni zu organisieren, uns gegenseitig zu unterstützen und gemeinsam für emanzipatorische Bildung einzutreten.

Eines dieser emanzipatorischen Projekte, die der AStA unterstützt, sind die Kritischen Orientierungswochen an der FU. Diese werden auf Initiative einiger Hochschulgruppen und Fachschaftsinitiativen organisiert, als Alternative und Ergänzung zu langatmigen Einführungsveranstaltung wie dieser.

Das Programm selbst geht bis zum 8.November und bietet unterschiedlichste Veranstaltungen: seien es Vorträge und Workshops zu Themen abseits des Unialltags, Kiezspaziergänge, Kneipenabende oder eine Rallye. Außerdem gibt es die Möglichkeit, euch im Asta-Büro Materialien zum Studiumseinstieg abzuholen, die sicherlich noch weitere Fragen beantworten können. Ebenfalls könnt ihr auch nach dem Couchcafé ausschau halten, wo ihr bei Kaffee und interessanten Gesprächen eine Pause vom Studieneinstiegsalltag nehmen könnt. Mehr Infos zu den Veranstaltungen findet ihr auf Facebook, Instagram, im KORFU-Telegram-Kanal oder auf der Korfu-Website, auf der ihr das komplette Programm finden könnt.

Wir wünschen euch erst einmal alles Gute und hoffen, dass ihr es gut durch die ersten Wochen des Studiums schaffen werdet. Wir sehen uns hoffentlich wieder und bis dahin:

Passt auf euch auf, lasst euch nicht unterkriegen und bleibt widerständig!

Vielen Dank.