Burschenskandal am Fachbereich Jura - Offener Brief des AStA FU an den Dekan des Fachbereichs Univ.-Prof. Dr. Martin Schwab

Sehr geehrter Herr Schwab,

 

dass wir generell bereit sind, Ihrer Sicht Gehör zu schenken, zeigten wir, indem wir Ihre Gegendarstellung abdruckten. Wir möchten einige Punkte klarstellen.

 

Als ein Absolvent der Rechtswissenschaft auf seiner Abschlussfeier am 26.10.2012 zur Ehrung aufgerufen wurde, trat dieser ans Mikrofon und protestierte dagegen, dass halbuniformierte Burschenschafter an der Veranstaltung teilnähmen, deren Uniformen für einen Dachverband stünden, welcher einen Ariernachweis fordere. Sie drängten ihn körperlich vom Podium und verwiesen ihn des Saales. Dabei wurde vom Podium mit den Worten kommentiert, Toleranz sei immer auch die Toleranz für Andersdenkende. Wie wir mittlerweile recherchieren konnten, wurde dies nicht von Ihnen, sondern von einem Fachbereichsmitarbeiter geäußert, der direkt neben Ihnen stand. Der Kommentierung widersprachen Sie nicht. Etwas später hingegen äußerten Sie, dass Sie das Auftreten des Studenten beschäme, weiterhin, dass die Freie Universität Berlin eine tolerante Universität sei und auch Andersdenkende und auch studentische Verbindungen am Fachbereich Jura herzlich willkommen seien.

 

Der Begriff Studentenverbindung ist bekanntlich ein Oberbegriff, der auch Burschenschaften umfasst. Die farbentragenden Verbindungsstudenten auf der Abschlussfeier waren sehr wahrscheinlich von der Berliner Burschenschaft Gothia (grellorangene Mützen), was ihr Sprecher bislang offiziell weder bestätigen noch dementieren mag. Die Gothia ist Mitglied im burschenschaftlichen Dachverband „Deutsche Burschenschaft“ (DB) sowie in der Burschenschaftlichen Gemeinschaft (BG). DB-Vorstandsmitglied Weidner bezeichnete den NS-Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer als „Landesverräter“ und sein Todesurteil als „juristisch gerechtfertigt“; ein daraufhin ergangener Absetzungsantrag gegen Weidner bekam innerhalb der DB keine Mehrheit. Ein Gericht entschied, dass Weidner bezeichnet werden dürfe als „höchstwahrscheinlich einer der Köpfe der rechtsextremen Bewegung, die aus Burschenschaften, NPD und Kameradschaften besteht“. Die BG gründete sich 1961 nach dem gescheiterten Antrag, die DB und die Deutsche Burschenschaft in Österreich (DBÖ) wiederzuvereinen, mit dem Ziel, dem "geistigen Separatismus im deutschen Volke" entgegenzutreten, und gilt innerhalb der DB als rechter Flügel. Deutsch definiert die BG über die Abstammung, sodass vor den revanchistischen großdeutschen Allüren der BG auch polnische Staatsgebiete nicht haltmachen. Diesem rassistischen Volksbegriff entsprang der Vorstoß innerhalb der BG, deutsche Abstammung als Mitgliedsvoraussetzung in der DB zu fordern, was von der Medienlandschaft als „Ariernachweis“ tituliert wurde. Der Antrag wurde nach medialer Empörung zurückgezogen. Die BG wird in Teilen vom Verfassungsschutz beobachtet und hat personelle Bindungen zur NPD. Als Redner auf Veranstaltungen der Gothia waren z.B. die bekannten Rechtsextremen Horst Mahler und Alfred Mechtersheimer angekündigt. Veranstaltungsthemen derGothia sind etwa „Das historische Ostdeutschland in der heutigen öffentlichen Wahrnehmung“ zwei Tage vor dem Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus, „Konstrukt ohne Integrationspotential“ als Beitrag zur Debatte um die multikulturelle Gesellschaft oder „Deutsche Identität und Leitkultur“ mit einem Amtsrichter a.D. ein Jahr nachdem er als Dozent bei der Landespolizeischule gefeuert worden war, weil er jahrelang Artikel in rechtsextremen Zeitschriften veröffentlicht hatte. Dass auch Redakteure der von Expert_innen als Scharnier zwischen Rechtskonservativen und Rechtsradikalen eingeschätzten Zeitung „Junge Freiheit“ Vorträge bei der Gothia halten, scheint kaum noch erwähnenswert.

 

Es waren diese Umstände, die uns veranlassten, von „(Neo-)Faschismus, Nationalismus und andere[n] rechte[n] Gesinnungen“ zu sprechen. Dass Sie (Neo-)Faschismus explizit willkommen geheißen hätten, wurde nicht behauptet und sollte auch nicht behauptet werden, denn es war uns zu keinem Zeitpunkt daran gelegen, Sie persönlich in die Nähe des Rechtsextremismus zu rücken. Wenn Sie allerdings angesichts der geäußerten Kritik auf der Absolvent_innenfeier Verbindungsmitglieder willkommen hießen, konnte es nicht anders verstanden werden, als dass Sie Ihr Willkommen gegenüber den anwesenden Halbuniformierten ausdrückten, und das Mindeste, was über die Gothia geurteilt werden kann, ist, eine Brücke vom Rechtskonservatismus zur extremen Rechten zu bilden. Es sei eingeräumt, dass Sie wahrscheinlich nicht wussten, welche Studentenverbindung vor Ihnen saß. Was jedoch nahezu alle Studentenverbindungen eint, ist die Bezugnahme auf einen tradierten, gefährlichen Elitarismus und eine diskriminierende, insbesondere sexistische Organisationspraxis der Exklusion.

 

Sie sagen weiter, den Studenten aufgrund seiner Störung und nicht aufgrund seiner inhaltlichen Kritik des Saales verwiesen zu haben. Der Name des Studenten war aufgerufen worden, um ihn für seinen Abschluss zu ehren. Was der Student „störte“, war seine eigene Ehrung, d.h. eine Glückwunschmappe und einen Sponsorenbeutel überreicht zu bekommen, sowie die Möglichkeit für seine Angehörigen, ein Kleingruppenfoto mit dem Dekan zu schießen. Sie hätten den Studenten wohl nicht des Saales verwiesen, wenn er einen Ausdruck der Freude über seinen Studienabschluss durch das Mikrofon gerufen hätte. Deshalb kann unserer Meinung nach der Verweis nicht vom Inhalt der Kritik getrennt werden. Denn Sie hätten sicherlich auch keinen Studenten des Saales verwiesen, der am Mikrofon geltend gemacht hätte, rassistisch von einem anwesenden Verbindungsstudenten beleidigt worden zu sein.

 

Die Verbindungsstudenten provozierten eine Reaktion, indem sie mit dem Gründungskonsens und der Praxis der FU brachen, keine Farben auf dem FU-Gelände zu tragen. Dass Studentenverbindungen, jedenfalls unstreitig das Farbentragen, an der FU unerwünscht sind, haben mittlerweile der Präsident der FU Berlin, der Staatssekretär des Wissenschaftssenats des Landes Berlin und die Vollversammlung der Studierenden der FU klargestellt. Das Auftreten der farbentragenden Verbindungsstudenten öffentlich zu kritisieren, war daher keine Störung sondern ein gerechtfertigtes und notwendiges Einschreiten. Die Erklärung eines Willkommens gegenüber Verbindungsstudenten finden wir falsch, überflüssig und politisch fatal.

 

Wir begrüßen Ihre Distanzierung von jeglichem ausländerfeindlichen und rechtsextremen Gedankengut und auch von Burschenschaften, wie Sie auf der Homepage des Fachbereichs Rechtswissenschaft öffentlich klarstellten, und halten unsere Rücktrittsforderung deshalb nicht weiter aufrecht. Dass Sie dem guten Umgang mit Studierenden eine hohe Bedeutung beimessen und sich des öfteren für Studierendeninteressen eingesetzt haben, erkennen wir an und wollen es nicht schmälern. Wir möchten Ihnen weiter entgegenkommen, indem wir unseren ersten Bericht über die Abschlussfeier von unserer Homepage entfernen und diesen offenen Brief an seine Stelle setzen. Wir wünschen uns von Ihnen die Einsicht, dass Sie dem Studierenden die Abschlussfeier gehörig vermiest haben und dass Verbindungsstudenten an der Freien Universität eben nicht willkommen sind.

 

Mit freundlichen Grüßen

AStA FU