International week 2023 an der FU – 1 Woche Internationalisierung
Eine Woche lang geht es an der sogenannten Freien Universität Berlin (FU) um Internationalisierung.
Die erste Frage, die sich die FU für ihre international week 2023 selbst stellt, lautet:
„Was bedeutet „Internationalisierung“ für die Freie Universität?“[1]
Diese Frage möchten wir hier gern beantworten.
Viele deutsche Hochschulen und Unis, so auch die FU, haben Internationalisierungsstrategien, bei denen meistens ökonomische Ziele, wie das Erreichen von mehr Exzellenz und Wettbewerbsfähigkeit, im Vordergrund stehen (siehe festegesetzte Ziele durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF))[2]. Auch die Internationalisierungsstrategie 2025 der FU spricht von der eigenen Positionierung im „globalen Bildungs- und Forschungswettbewerb“ [3].[L1] Die vorwiegend ökonomische Motivation für Internationalisierung stellt wichtige Bedeutungen von Internationalisierung, wie gemeinsame Kooperationen für mehr globale Gerechtigkeit, einen gleichberechtigten wissenschaftlichen Austausch und die Ausbildung einer pluralen Wissensgesellschaft ohne westliche Dominanz, in den Hintergrund.
Es gibt 28 Termine auf der international week 2023. 14 dieser Veranstaltungen beschäftigen sich damit, wie Mitglieder*innen der FU ins Ausland gehen können. Kaum eine der Veranstaltungen beschäftigt sich mit den Herausforderungen, denen internationale Studierende, die an der FU studieren (wollen), begegnen und wie diese angegangen werden könnten. Hier stellt sich für uns die Frage:
WER und WAS ist eigentlich an der FU mit internationaler Mobilität gemeint?[4]
Albert Gouaffo, bekannter kamerunischer Wissenschaftler[5], berichtete letzten Montag am 19.06.23 in einer Veranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung zur Bedeutung transkontinentaler Mobilität von den Schwierigkeiten, den internationale Studierende und Wissenschaftler*innen aus Ländern des Globalen Südens (hier explizit Kamerun) begegnen, wenn sie zum Studium oder für einen Forschungsaufenthalt nach Deutschland reisen. Dazu gehören der schwierige und entwürdigende Visumsprozess, der nicht immer erfolgreich ist, die fehlende Anerkennung von wissenschaftlichen Abschlüssen oder Sprachzertifikate und vieles mehr. Auch andere Wissenschaftler*innen, die an der Veranstaltung teilnahmen, berichteten im Anschluss von diesen Problemen.
Diese Problematiken sind nicht unbekannt und schlagen sich in rassistischen Praktiken und Institutionen wieder wie zum Beispiel dem Studienkolleg[6] mitsamt seiner Feststellungsprüfung[7] und die kostenpflichtigen Bewerbungen bei uni-assist[8].
Was ist das Studienkolleg? Das Studienkolleg wird als „einjährige schulische Vorbereitung“ beworben und bedeutet ganztägiger Unterricht für fünf Tage die Woche (siehe [7]). Das Studienkolleg ist Voraussetzung für alle, die an einer deutschen Uni studieren wollen und deren Landesabitur von Deutschland und den Universitäten nicht anerkannt wird. Trotz Abitur müssen sie zeit- und kostenaufwändig ein Jahr eine Art deutsche Oberstufe nachholen, um dann mit der Feststellungsprüfung eine Art deutsches Abi nachzuholen ohne Garantie auf einen Studienplatz im Anschluss.
Was ist uni-assist? Internationale Studierende, die bereits eine Bachelor im Ausland gemacht haben und sich in Deutschland auf einen Master bewerben wollen, müssen sich über Uni-assist bewerben, wenn der Bachelor ihres Landes nicht gleichwertig mit dem deutschen Abschluss anerkannt wird. Uni-assist ist ein privates Unternehmen, mit dem deutschlandweit staatliche Unis kooperieren. Zu den „Leistungen“ von Uni-assist gehört: „Wir prüfen, ob Ihre Zeugnisse die allgemeinen Voraussetzungen für ein Hochschulstudium in Deutschland erfüllen.Wir rechnen Ihre Noten in das deutsche Benotungssystem um.“ [8.1] Eine Bewerbung kostet 75 Euro.[1]
Im letzten Statement des AStA FU zur International Week 2022 werden Uni assist und weitere diskriminierende Barrieren wie der Numerus Clausus (NC) weitergehend beleuchtet [9].
Zudem beleuchtet das letzte Statement die ausschließende Praktik hohe Deutschanforderungen an internationale Studierende zu stellen. So wird selbst für englischsprachige Studiengänge ein Deutsch-Niveau gefordert. Der ASTA hatte im Anschluss an seine Forderungen letztes Jahr ein Gespräch mit Dr. Herbert Grieshop (Leiter der Abteilung Internationales IV) zu diesem Thema. Herr Grieshop hat mündlich zusichert, dass internationale Studierende, um einen deutschsprachigen Studiengang an der FU zu studieren, künftig ein B2 anstatt eines C1 Deutsch-Niveau vorweisen müssen. Leider ist das immer noch nicht auf der Internetseite ersichtlich und wir fordern dass die FU die Informationen dementsprechend anpasst [10]. Ein weiteres Problem was sich im Rahmen von Sprachanforderungen auftut, ist, dass auch hier viele Sprachzertifikate nicht anerkannt werden. So berichtete Herr Dr. Gouaffo, dass er Studierenden als Germanistikprofessor keine Sprachzertifikate ausstellen kann, die von Deutschland anerkannt werden. Stattdessen müssen kamerunische Studierende kostenspielige Sprachkurse am Goethe-Institut belegen. Dieser Punkt zeigt auf, wie die diskriminierende Praktik, Abschlüsse nicht anzuerkennen, nicht nur ein rassistischer Ausschluss ist, sondern auch ökonomisch profitabel für deutsche Unternehmen.
Was fehlt uns also in der international week 2023?
Praktisch alles!
Wo sind die Veranstaltungen, die diese diskriminierenden Praktiken adressieren?
Veranstaltungen, bei denen diskutiert wird, wie machtvolle Institutionen wie Universitäten bei der Vergabe von Visa für Studierende und Wissenschaftler*innen besser unterstützen können und ansprechbarer sind.
Veranstaltungen, bei denen rassistische Praktiken, wie die fehlenden Anerkennungen von schulischen und wissenschaftlichen Abschlüssen und ihre Konsequenzen (Studien-Kolleg, uni-assist etc.) diskutiert werden und Betroffene ihre Erfahrungen und Probleme schildern und sich austauschen können, damit diese Barrieren abgebaut werden.
Veranstaltungen, die die Logik von Sprachanforderungen und ihre Konsequenzen – den Ausschluss von vielen Studierenden und ihr hoher Kostenfaktor – diskutieren.
Veranstaltungen, die sich mit den Perspektiven internationaler Studierender an der FU beschäftigen. Welchen bürokratischen Problemen stehen Studierende oft gegenüber (zum Beispiel bei Visumsverlängerungen) und wie können Studis nach ihrem Studienabschluss unterstützt werden? Welche Möglichkeiten gibt es für internationale Studis im Anschluss zu ihrem Studium an der FU? Wie ist zum Beispiel eine Promotion möglich?
Veranstaltungen, die sich damit beschäftigen, welchem strukturellen Rassismus und anderen Diskriminierungen und Exklusionen internationale Studierende an der FU begegnen und Raum für Austausch und gemeinsame Solidarisierung und Organisation bieten und bei denen zugleich Verantwortliche der FU zuhören, um diese Themen im Anschluss effektiv zu adressieren und nicht weiter zu ignorieren.
Veranstaltungen, die sich die Frage stellen, wer nicht da ist. Sprich:
Welche Menschen werden bei der Internationalisierungsstrategie nicht mitgedacht?
Wessen Mobilität wird nicht als international – innerhalb des Paradigmas exzellenter Leistung und Wettbewerbsfähigkeit – verstanden?
Wer hat keinen Zugang zur FU und ihrem internationalen Programm?
(Wie) werden Studierende unterstützt, die einen Studienplatz an der FU hatten, aber deren Visa abgelehnt wurde und die gegebenenfalls bereits hohe Kosten tragen mussten?
Damit kommen wir zur grundlegenden Frage (mehr dazu siehe [4]):
Verstärkt die Art und Weise, wie Internationalisierung zurzeit an der FU angestrebt und praktiziert wird, Ungleichheiten?
Und wie lässt sich das erklären und ändern, damit Internationalisierung an der FU mehr globale Gerechtigkeit ermöglicht statt globale Ungleichheiten zu reproduzieren und zu verstärken.
Die Uni ist nicht einfach ein Kontext, der in ungerechte Strukturen eingebettet ist und nichts gegen diskriminierende Visumspraktiken und Regelungen zur Anerkennung von Abschlüssen etc. machen kann – im Gegenteil: die Internationalisierungsstrategie beweist das die Uni ein aktiver Akteur ist, der die Umstände von internationalem wissenschaftlichen Austausch (mit)formt.
Daher fordern wir von der FU:
Ein Ende ihrer diskriminierenden, exklusiven und rassistischen Internationalisierungspolitik:
1. Die Anerkennung ausländischer schulischer und wissenschaftlicher Abschlüsse, sowie Sprachzertifikate, um gleichberechtigten und respektvollen internationalen Austausch zu ermöglichen, ohne auf die Überlegenheit von Abschlüssen an deutschen Institutionen zu beharren. Daraus ergibt sich die Forderung, dass Studienkolleg und uni-assist abzuschaffen, dass heißt, dass die FU sich aktiv für ihre Abschaffung einsetzt und sich nicht selbst weiter daran beteiligt, in dem sie dieselbe direkte Bewerbung an ihrer Uni für alle Studierende erlauben.
2. Wir fordern mehr Unterstützung für internationale Studierende an der FU im Vorfeld, während ihres Studiums und im Anschluss (z.B. bei der Beantragung von Visa, der Verlängerung von Visa und der anschließenden beruflichen bzw. Wissenschaftlichen Laufbahn), sowie ein Abbau von Rassismus und anderen Diskriminierungen, die internationale Studierende auf dem Campus erfahren.
3. Wir fordern, solidarische Unterstützung für Menschen auf der Flucht, indem die FU soziale Stipendien für alle Studierenden auf der Flucht organisiert, ihnen eine würdevolle Unterkunft anbietet und ihnen den freien Zugang ohne große Hürden zum vollständigen Studienangebot gewährt.
4. Wir fordern die Abschaffung des Numerus Clausus.
5. Wir fordern, dass das Sprachniveau Deutsch für die Zulassung zu Studiengängen an der FU heruntergesetzt wird und dass es mehr Studiengänge gibt, die ohne Sprachvoraussetzung Deutsch zugänglich sind.
5. Stattdessen fordern wir Unterstützung für internationale Studierende in Form von ausreichenden Sprachkursangeboten. Außerdem müssen die Zeitrahmen für Klausuren und die Hausarbeitsfristen für Studierende angepasst werden, für die Deutsch keine Erstsprache ist.“
6. Wir fordern, dass die Uni sich für eine permanente Bleibeperspektive ihrer internationaler Studis einsetzt, in dem sie aktiv Visumsprozesse unterstützt und mehr Ansprechpersonen und -stellen zur Verfügung stellt.
7. Wir fordern Unterstützung für (potenzielle) Studierende, die einen Studienplatz an der FU erhalten, aber deren Visa abgelehnt wurde.
Eine Lehre ohne Diskriminierung:
1. Wir stehen hinter den Forderungen der Kampagne „Rechte Ideologie Exmatrikulieren"[11]. Wir fordern, dass Studierende mitbestimmen, wer an der FU lehrt. Wir fordern mehr wirksame Sensibilisierung von Dozierenden und Studierenden für verschiedene Formen der Diskriminierung.
2. Die Uni muss sich transparent gegen jede Form der Diskriminierung und neofaschistischer Ideologie positionieren. Die Uni muss ihre Geschichte und Geschichte des Dahlemer Campus kritisch aufarbeiten. Der Henry Ford Bau muss sofort umbenannt werden.
3. Bei Fällen von Diskriminierung in der Lehre muss die Uni ohne Umschweife handeln und auf der Seite der Betroffenen stehen.
Sicherlich fehlen hier noch viele weitere Themen, Probleme und Forderungen, die adressiert werden müssten.
Daher beteiligt euch bitte und schreibt anonym eure Themen hier auf:
Wir werden die gemeinsamen Forderungen und Vorschläge im Namen der Studierendenschaft veröffentlichen und an die Unileitung weiterleiten.
[1] https://www.fu-berlin.de/international/news-events/dates/2023-internationalweek.html
[4] Kyoko Shinozaki und Annette von Alemann gehen dieser Frage allgemeiner für Internationalisierungsstrategien an deutschen Unis in ihrem paper: „
‚Knowledge brokers‘transnational?Die Rolle von Hochschulen in der Produktion ‚internationaler Exzellenz’ und sich daraus ergebender intersektionaler Ungleichheiten“ nach
[5] https://albert-gouaffo.com/
[6] https://www.fu-berlin.de/sites/studienkolleg/index.html
[7] https://www.fu-berlin.de/sites/studienkolleg/feststellungspruefung/index.html
[8]https://www.fu-berlin.de/studium/bewerbung/portale/uni-assist/index.html; https://my.uni-assist.de/?lang=de
[8.1] https://www.uni-assist.de/faq/kosten-zahlen/
[9] https://padlite.astafu.de/node/544
[10] https://www.fu-berlin.de/studium/international/studium_fu/deutschkenntnisse/index.html
[11] https://astafu.de/sites/default/files/2022-01/Rechte%20Ideologie%20Exmatrikulieren.pdf