Statement der LandesAstenKonferenz Berlin zum Deutschlandsemesterticket

 

Fast zwei Monate ist es nun her, dass das Deutschlandsemesterticket von Bund und Ländern beschlossen wurde. Erste Verträge liegen den Studierendenschaften vor, bei einigen von Ihnen ist das Deutschlandsemesterticket bereits beschlossene Sache. Dennoch können die Berliner Studierendenschaften sich nicht vollends mit dem neuen Ticket anfreunden, dafür bereitet es an einigen Stellen doch noch zu viele Probleme. 

Das Semesterticket ist eine der zentralen Errungenschaften der Studierendenschaften.  Sie können so selbst Verträge abschließen und in der Theorie auch selbst mit den Verkehrsverbänden Konditionen hierfür aushandeln. In der Vergangenheit war dies bereits selten möglich. Verträge wurden uns so spät zugeschickt, dass wir keine Zeit für Verhandlungen hatten, falls es doch zu Nachverhandlungen kam, wurde auf unsere Wünsche und Forderungen nicht eingegangen. 

Dieser Zustand hat sich mit der geplanten Einführung des Deutschlandsemestertickets nur noch weiter verschlechtert. So blieb zahlreichen Berliner Studierendenschaften gar keine Zeit für etwaige Verhandlungen, da die Rückmeldefrist an der Uni nur einige Tage nach der Verabschiedung begann. Wir wissen, dass das Deutschlandsemesterticket überraschend eingeführt wurde und auch die Verkehrsverbände kaum Zeit hatten, entsprechende Verträge aufzusetzen. Dennoch kann es nicht sein, dass die Verträge für das Deutschlandsemesterticket dann in zentralen Punkten von den alten Verträgen für das Berliner Semesterticket abweichen. Und genau dies ist hier passiert. 

Zunächst wurden zahlreiche Änderungen im Kreis der zum Semesterticket berechtigten Studierenden getroffen. Vorher hatten zahlreiche Gruppen ein Wahlrecht, ob sie das Semesterticket abschließen und so von günstigem ÖPNV profitieren möchten, oder nicht. Dieses Wahlrecht ist in dem Vertrag für das Deutschlandsemesterticket nicht mehr enthalten. Stattdessen fallen die betroffenen Gruppen Studierender jetzt entweder ganz aus dem Semesterticket raus, oder müssen dieses verpflichtend abschließen. 

So sind Promotionsstudierende, Studierende in Teilzeit unter 50 % sowie Studierende in Aufbau-, Fern- und Weiterbildungsstudiengängen nicht berechtigt, das Deutschlandsemesterticket zu erhalten. Dafür sind Studierende in mind. 50 % Teilzeit oder Studierende, die das 9€-Sozialticket beziehen, nun verpflichtet, das Deutschlandsemesterticket zu erwerben und können sich nicht wie bisher auf Antrag davon befreien lassen. 

Studierende, die versuchen, ihr Studium an ihre schwierige soziale Situation anzupassen (zum Beispiel durch die Planung von Urlaubssemestern oder die Reduzierung der Semesterbelastung), sollten von dieser Regelung ausgenommen werden. Stattdessen werden sie mit der Neuregelung nur vor noch weitere Probleme gestellt. So können die Studierenden, die nicht berechtigt sind, das Deutschlandsemesterticket zu beziehen, auch nicht mehr von den Sozialfonds der Studierendenschaften profitieren. Durch die Sozialfonds werden den Studierenden, die sich in finanziellen Notlagen befinden, die Gebühren für das Semesterticket erstattet. Dies sind oft Studierende in unter 50 % Teilzeit, die jetzt ganz aus dem Semesterticket herausfallen und jetzt eigenständig teure, frei verkäufliche Tickets kaufen müssen. 
Die vorgeschlagene Änderung birgt somit klare Zeichen von Ableismus und Klassismus und stellt eine Maßnahme dar, die das Studium für viele unzugänglicher macht. Das ist unsere größte und wichtigste Kritik in Bezug auf die Neuregelung. Wir verurteilen die dadurch verstärkten sozialen Ausschlüsse auf das Schärfste. 

Ein weiteres wichtiges Anliegen ist für uns die Ticketausgabe. Das neue Ticket wird nur als QR-Code auf dem Handy angeboten, die Campus-Karte wird nicht mehr benötigt. Die Regierung und der VBB fordern dies, auch der Mustervertrag zum Deutschlandticket sieht ausschließlich ein digitales Ticket vor. Wir sind der Meinung, dass ein gedruckter QR-Code zusammen mit dem Ausweis ausreichen sollte, um das eTicket nachzuweisen. Einige Studierende besitzen kein Smartphone oder möchten keins haben. Es ist unfair, diesen Studierenden den Zugang zu einem von ihnen bezahlten Semesterticket zu verwehren, besonders wenn man bedenkt, dass einige dieser Studierenden aus finanziellen Gründen auf ein Smartphone verzichten müssen. Es gibt bereits seit fast einem Jahr dauerhafte Kritik an der Datenübertragung beim Scannen des Deutschlandtickets, und wir möchten die stärkste Kritik gegenüber dieser Datenübertragung bei der Deutschlandticket-Kontrolle zum Ausdruck bringen. 

Das Deutschlandsemesterticket wird auch keine kostenlose Fahrradmitnahme mehr beinhalten, wie es bisher der Fall war. Diese ist allerdings notwendig, wenn man die Lebenssituation vieler Studierender in Berlin beachtet. 
"Ich wohne leider in einer schlecht angebundenen Region, in der ich ohne Fahrrad nicht wirklich zum nächsten S-Bahnhof komme", berichtet eine FU-Studentin uns gegenüber. "Wenn ich mein Fahrrad nicht mehr mit in die Bahn nehmen kann, bin ich in meiner Mobilität erheblich eingeschränkt." Oftmals finden Studierende aufgrund der Wohnungsknappheit keine andere Wohnung oder die Mieten sind in unmittelbarer Nähe einer Station zu teuer. Diese Studierenden sind auf ein Fahrradticket angewiesen. Nun sollen alle, die aus finanziellen Gründen auf eine direkte Anbindung zum ÖPNV verzichten müssen, monatlich noch mehr Geld für den ÖPNV ausgeben, nur um ihr Fahrrad mitnehmen zu können? 
Außerdem kann das Fahrrad auch ein Sicherheitsmittel für viele Studierende mit einem erhöhten Schutzbedarf im Alltag (BPoCs und FLINTA-Personen) darstellen. 
Darüber hinaus ist das Fahrrad ein Mittel nachhaltiger Mobilität. Gerade im Hinblick auf die Klimakatastrophe ist die Förderung nachhaltiger und klimafreundlicher Mobilität jetzt so wichtig wie nie. Die kostenlose Fahrradmitnahme mit dem Deutschlandsemesterticket nicht weiterhin möglich zu machen, setzt also auch ein falsches Zeichen im Hinblick auf den Klimaschutz, das wir uns zum heutigen Zeitpunkt nicht mehr erlauben können. 

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Mit besten Grüßen 

Elyas A. Zenoz Irazábal 

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