Der haarsträubende Prozess um die Bestellung einer offiziell von der Universität beauftragten Interessenvertretung und Ansprechperson für Studierende mit Behinderungen und chronischen Krankheiten an der FU Berlin geht in eine neue Runde. Nachdem sich die FU fast zwei Jahre lang für die Bestellung eines Behindertenbeauftragten, einen formellen und vom Berliner Hochschulgesetz (BerlHG) vorgegebenen Prozess zur Stärkung der Belange behinderter und chronisch kranker Studierender, Zeit gelassen hat, wurde nun mit Fr. Prof. Gudrun Doll-Tepper eine Professorin der Präsidiumsliste „Vereinte Mitte“ bestellt. Der bisherige, allerdings nicht offiziell bestellte Beauftragte Georg Classen, welcher sich an der FU seit über 20 Jahren – manchmal auch für die Universitätsleitung unbequem – engagiert für die Interessen behinderter und chronisch kranker Studierender einsetzt, soll künftig nur noch für die Beratung zuständig sein, nicht aber für die Vertretung der Interessen behinderter und chronisch kranker Studierender z.B. in den FU-Gremien.
Im Laufe der Posse um die Bestellung eines Beauftragten wurde nun offenbar mindestens einem studentischen Mitglied des Akademischen Senats (AS) eine Auskunft über den Fortgang der Bestellung gezielt vorenthalten. Nach Informationen des AStA FU erhielt das studentische Campusmagazin „Furios“ am 21.06.2013 gegen 13 Uhr auf Anfrage eine schriftliche Information über den Vorgang der Bestellung vom Pressesprecher der FU Goran Krstin. Am selben Tag gegen 15 Uhr wurde dem studentischen AS-Mitglied Mathias Bartelt eine Information über die Bestellung, u.a. über die nun bekannte Personalie Doll-Tepper, verweigert. FU-Pressesprecher Goran Krstin, der Leiter der AS-Geschäftsstelle Emanuel Koulouris sowie ein Referent des Präsidiums waren am 21.06.2013 nicht bereit dem AS-Mitglied Bartelt irgendeine Auskunft zu dem Vorgang zu erteilen. Zusammengefasst bedeutet das, dass das Präsidium es scheinbar nicht einmal auf Anfrage für nötig hält, gewählte Vertreter*innen der akademischen Selbstverwaltung vor der Presse über gewichtige, vieldiskutierte und umstrittene aktuelle Vorgänge aufzuklären.
Bezeichnend ist dies auch vor dem Hintergrund, dass in der Vergangenheit insbesondere studentische AS-Mitglieder das Thema bereits zahlreiche Male sowohl innerhalb als auch außerhalb des AS angesprochen und auf eine baldige Bestellung des gegenwärtigen Behindertenbeauftragten Georg Classen gedrängt hatten. Ebenfalls problematisch ist die Splittung der nach BerlHG zu schaffenden Stelle eines Behindertenbeauftragten in eine rein beratende Person ohne Vollzeitstelle und eine weitere Person, welche dann jenseits irgendeiner Beratungstätigkeit die Sonderrechte eines Behindertenbeauftragten genießt. Eine solche Konstruktion ist nicht nur unsinnig, sondern könnte auch rechtswidrig sein. Darüber hinaus ist auffällig, dass die nun bestellte professorale Behindertenbeauftragte Doll-Tepper mindestens einmal auf der Liste der Präsidiumsfraktion „Vereinte Mitte“ angetreten ist. Dies nährt die Befürchtung, eine andere bestellte Person als Georg Classen könnte möglicherweise lediglich als „Platzhalter“ fungieren, um unbequemer Kritik keinen Raum zu lassen und die Steuerungsprozesse an der FU weiterhin schlank und effektiv zu halten – gegen die Interessen behinderter und chronisch kranker Studierender.
Das Sozialreferat des AStA FU zeigte sich erschüttert: „Ganz offensichtlich wird hier in gewohnter FU-Manier versucht, die Partizipationsrechte Studierender über formelle Schlupflöcher zu beschneiden. Es existiert kein plausibler Grund dafür, einen engagierten und geschätzten Behindertenbeauftragten mit langjähriger Erfahrung nicht auch formell als Behindertenbeauftragten zu benennen und seine Position damit zu stärken. Dass das FU-Präsidium stattdessen eine Professorin aus den eigenen Reihen auf den Posten hievt, lässt trotz ihrer zahlreichen Auszeichnungen und sicherlich vorhandener Sachkompetenz keinesfalls auf die vom BerlHG angestrebte Stärkung der Rechte behinderter und chronisch kranker Studierender auch an der FU schließen.“ Philipp Bahrt, Referent für Kommunikation und Antirepression im AStA FU, wies auf die Tragweite für die Demokratie-Situation an der FU hin: „Es widerspricht jedem Demokratieverständnis, wenn das Präsidium bzw. dessen direkt unterstellte Verwaltung Mandatsträger*innen Informationen aktiv und gezielt verweigert, diese aber parallel an die Presse herausgibt. Davon muss nach unserem gegenwärtigen Kenntnisstand leider ausgegangen werden. Die Entscheidung der Akkreditierungsagentur AQAS, die FU vorerst nicht zu akkreditieren, scheint somit auch im Lichte dieses Vorgangs eine angemessene und richtige Bewertung zu sein. Die FU Berlin scheint Lichtjahre von der Akkreditierungsfähigkeit entfernt.“
Bei der kürzlich im AS erfolgten Aussprache über Selbstverständnis, Umgangsformen und Verfahrensweisen hieß es noch seitens des Präsidiums, es solle nicht immer gleich böser Willen unterstellt werden, falls Anfragen oder Anträge einmal unsachgemäß oder überhaupt nicht bearbeitet würden. Nicht zuletzt angesichts des neuerlichen Vorgangs fällt es schwer, von einer nicht systematischen Behinderung der Arbeit studentischer und anderer nicht professoraler Gremienmitglieder auszugehen. Mehr noch wird deutlich, dass insbesondere FU-Kanzler Lange als Leiter der Verwaltung für derartige Vorgänge in die Verantwortung genommen werden muss.