Derzeit stehen an verschiedenen Berliner Hochschulen Präsidiumswahlen an. Ein Grund mehr für die LAK Berlin ein kritisches Resümee der zahlreichen vergangenen Mauscheleien um die Besetzung von Präsidiumsposten an den Berliner Hochschulen zu ziehen. Augenfällig ist, dass es sich dabei keinesfalls um Einzelfälle zu handeln scheint, sondern offenbar systematisch Demokratie an den Hochschulen sowie Rechte Studierender und anderen Statusgruppen missachtet und weiter ausgehöhlt werden.
Strukturell undemokratische Prozesse an der FU Berlin.
Nachdem beispielsweise an der FU Berlin der letzte Präsident Dieter Lenzen, ein neoliberaler Hardliner, quasi vor seinen eigenen Studierenden nach Hamburg geflüchtet war, spielte sich ein Spektakel ab, welches der Bezeichnung “Wahl“ in höchstem Maße unwürdig ist. Im März 2010 traten zunächst Raul Rojas, Professor für Informatik an der FU Berlin, Peter-André Alt, Professor für Germanistik an der FU, und Christiane Lemke, Politologin an der Universität Hannover, an, nachdem sie für die Wahl zum Präsidentenamt an der FU nominiert worden waren. Zuvor wurde bereits unter 15 Bewerber*innen von einer AG aus den Reihen von Mitgliedern des Akademischen Senats und des Kuratoriums auf intransparente Art und Weise aussortiert. Studierende legten seinerzeit Einspruch beim zentralen Wahlvorstand gegen das Verfahren ein, welcher allerdings wirkungslos blieb. Darüber hinaus zogen kurz vor der Wahl unter bis heute ungeklärten Umständen die zwei oben genannten Gegenkandidat*innen Rojas und Lemke zum bereits im Vorfeld gesetzten Kandidaten des heute amtierenden Präsidiums, Peter-André Alt, ihre Kandidatur zurück. Sie waren die Einzigen, die es trotz aller "Vorauswahl"-Prozesse bis in das Wahlverfahren geschafft hatten. Eine geplante Podiumsdiskussion mit den Präsidiumskandidat*innen wurde so zu einer absurden Ein-Personen-Diskussion mit Peter-André Alt und der damals ebenfalls bereits als Kandidatin zur Ersten Vizepräsidentin "gesetzten" Monika Schäfer-Korting – und die Wahl verkam endgültig zur Farce. Studierende boykottierten die Wahl und verließen vor der Abstimmung unter Applaus symbolisch den Raum. Maßgeblich für diese und weitere undemokratische Verfahrensweisen an der FU ist unter anderem die sog. Teilgrundordnung, welche seit 1999 „probeweise“ existiert, um herauszufinden, was passiert, wenn die Hochschulleitung mit übermäßig viel Macht ausgestattet ist. Trotz hinreichend vieler empirischer Befunde zum Thema, welche eine massive Entdemokratisierung der gesamten Hochschule belegen, sehen seit Jahren weder der Senat noch die Hochschulleitung Handlungsbedarf.
An der HWR werden Demokratie und Transparenz klein geschrieben.
Ähnliche Erfahrungen mussten Studierende an der HWR sammeln. Dort bekamen u.a. Studierende, welche mit bedruckten T-Shirts und einem stummen Protest gegen das intransparente und undemokratische Verfahren zur Präsidiumswahl an ihrer Hochschule demonstrierten, die Repression der politischen Eliten zu spüren. Protestierende Studierendenvertreter*innen und Studierende im dortigen Akademischen Senat wurden kurzerhand unter Zuhilfenahme des Hausrechts bzw. unter Androhung von Polizei rausgeschmissen und somit vom Wahlverfahren sowie der Wahlbeobachtung ausgeschlossen. Anmerkungen und Kritikpunkte die von Seiten der Studierenden in diesem Verfahren geäußert wurden, waren auch an der HWR schlicht ignoriert oder abgewiegelt worden. Zudem war bereits in der Ausschreibung die Rede davon, dass sich der Stelleninhaber erneut bewerben würde. Die Intransparenz gipfelte bereits im Vorfeld der Wahl in der AS-Sitzung bei der Befassung des Kuratoriums mit der Präsidiumswahl in einem Ausschluss des AStA und weiterer Mitglieder des Kuratoriums durch den Staatssekretär Nevermann “zum Schutz der Bewerber*innen“. Auch dagegen richtete sich der nicht erwünschte Protest. Gewählt wurde letztlich - wie zu erwarten war - der Amtsinhaber.
Auch studentische Vetos in anderen Zusammenhängen werden an der HWR nach Informationen der LAK systematisch übergangen: So hieß es im AS u.a., das Gremium sei nicht entscheidungsbefugt in Angelegenheiten der Forschung und Lehre und deswegen sei das im Berliner Hochschulgesetz verankerte Statusgruppen-Veto hier nicht möglich. Eine klare Fehlinformation, welche vermutlich mehr als nur einmal zu rechtswidrigen Beschlüssen geführt haben dürfte.
Weiterhin wurden an der HWR Ende 2013 neue Vizepräsident*innen gewählt. In diesem Zusammenhang musste auch die Statusgruppe der sonstigen Mitarbeiter*innen Erfahrungen mit dem durch die Mehrheit der Professor*innen und wohl auch den Senat vertretenen Standesdünkel machen. Obwohl es für drei Posten exakt drei Kandidat*innen gab, wurden nur zwei von ihnen gewählt. Die dritte Kandidatin gehörte der Statusgruppe der sonstigen Mitarbeiter*innen an, woran ihre Kandidatur offenbar ohne jegliche inhaltliche Begründung scheiterte.
Auch an der TU Berlin gibt es keine Wahl für Studierende!
An der TU Berlin stellte sich die Situation in der Vergangenheit zwar besser dar, da hier trotz des schwierigen politischen Umfelds noch eine gewisse Gesprächskultur zwischen Studierenden und Hochschulleitung existiert. Bemerkenswerterweise gibt es hier bei der anstehenden Präsidiumswahl sogar mehrere Kandidat*innen, zwischen denen ernsthaft gewählt wird. Möglich wird dies allerdings vermutlich dadurch, dass sich die Kandidierenden politisch nur wenig unterscheiden und somit beide der Linie des Senats potentiell in den Kram passen würden. Zudem tritt in den beiden unterschiedlichen zur Wahl stehenden Kombinationen von Präsident und erstem Vizepräsidenten für den Posten des Vizepräsidenten im Bereich Studium und Lehre ein und dieselbe Person an, womit letztlich auch an der TU keine reale Wahl aus Sicht der Studierenden besteht. Darüber hinaus hat der Kandidat für den Posten des Vizepräsidenten diesen bereits im bestehenden Präsidium inne.
An der HU haben Studierende gegen Präsidiumswahlen geklagt.
Auch an der HU Berlin kennen sich die Studierenden mit fragwürdigen Wahlverfahren bei Präsidiumswahlen aus. Hier wurde zuletzt 2010 gegen eine separate Auszählung der Stimmen der Studierenden während der Wahl der Vizepräsidentin für Haushalt und Technik geklagt, welche deren Wahlentscheidung nachvollziehbar machte. So wurden die Stimmzettel der Studierenden vor der Wahl separat gekennzeichnet. Statt die Wahl im Rahmen eines freien, gleichen und geheimen Verfahrens zu wiederholen, übte sich die HU Berlin in juristischen Winkelzügen. Das zuständige Berliner Verwaltungsgericht stellte schließlich zwar eine Rechtsverletzung gegenüber den Studierendenvertreter*innen fest, erklärte die betreffende Wahl allerdings im Nachhinein nicht für nichtig.
Präsidien oder Senat als treibende Kraft hinter Mauscheleien?
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die gegebenen Mitbestimmungsmöglichkeiten für Studierende – sofern sie überhaupt rudimentär existieren – in den allermeisten Fällen nicht mehr als Lippenbekenntnisse darstellen – abgekartete Vorgänge um den bloßen Schein von demokratischer Mitbestimmung zu wahren. Ebenfalls bleibt festzuhalten, dass in diversen Bewerbungsreden und -prozessen bereits die Begriffe “Studierende“, “Studium“ oder “Lehre“ in der Regel selten bis gar nicht auftauchen. Dies gibt gleichzeitig eine Erklärung und einen Ausblick für strukturell undemokratische Präsidiumswahlen. Weder die professorale Mehrheit an den Hochschulen noch der exzellenzbesessene Berliner Senat haben ein ernsthaftes Interesse an den Anliegen der Studierenden, der sonstigen Mitarbeiter*innen oder der wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen. Insbesondere Studierende werden von der Politik maximal als wichtiger Wirtschaftsfaktor gesehen. Aus dieser Rolle gilt es sich zu befreien! Die geschickte Einflussnahme des Berliner Senats aufzuarbeiten, muss dabei ein wichtiger Schritt sein, um zunächst die von oben bestimmte Marionetten-Politik an den Berliner Hochschulen zu durchbrechen.