Kündigungsversuch gegen Personalratsmitglied: FU-Präsidium missbraucht Personalbefugnisse für politische Interessen

Stellungnahme des AStA FU vom 17.09.2019

Am 28.08.2019 stellte das Präsidium der FU Berlin, wie die ver.di-Betriebsgruppe berichtete, einen Kündigungsantrag gegen einen Beschäftigten, welcher gleichzeitig Mitglied des Gesamtpersonalrats der FU ist. Die beschäftigte Person engagierte sich verschiedentlich gegen zunehmend prekäre Arbeitsbedingungen an der FU Berlin. Die Kündigung konnte durch den Gesamtpersonalrat vorläufig verhindert werden.

Dieser Kündigungsversuch ist Teil einer Reihe von Vorfällen, bei denen die Hochschulleitung ihre Personalbefugnisse missbraucht hat, um die Einstellung von andersdenkendem Personal im Vorfeld zu verhindern oder im Befristungsfall ihre Verträge auslaufen zu lassen. Mit der direkten Kündigung eines aktiven und widerständigen Hochschulmitglieds erreicht diese Personalpolitik eine neue Ebene. Durch Anwendung der Erprobungsklausel (§ 7a BerlHG) und der darauf fußenden Teilgrundordnung der FU verfügt das Präsidium seit 1998 über die Befugnisse der „Dienstbehörde, obersten Dienstbehörde, Personalstelle und Personalwirtschaftsstelle“, während es sich selbst die dazugehörigen Verwaltungsvorschriften erlassen soll (§ 5 Abs. 8 Nr. 9 und 10 TGO FU). Das Präsidium leitet zudem noch die Sitzungen des Akademischen Senats, wodurch direkte Abhängigkeiten innerhalb des Gremiums zwischen Stimmberechtigten und Sitzungsleitung entstehen. Aus gutem Grund sieht das Berliner Hochschulgesetz das Kuratorium bzw. seine Personalkommission für Personalangelegenheiten vor (§67 Abs. 2 und 3 BerlHG).

Durch die Union von Leitung und Personalbefugnissen ist das Präsidium in der Lage, die Zusammensetzung der Belegschaft und der dort vertretenen Ansichten zu steuern. Dabei bedient es sich seinen Personalbefugnissen und anderen Privilegien auf folgende Weise: Verträge von widerständigen Beschäftigten werden nicht verlängert oder gar gekündigt. Aus Angst vor personellen Konsequenzen äußern sich in den Hochschulgremien kaum noch Beschäftigte kritisch oder stellen sich gar nicht erst zur Wahl. Die Berufung von kritischen Professor*innen wird im Vorfeld verhindert: entweder durch die partizipierenden Professor*innen oder notfalls durch Machtmissbrauch des Präsidiums, wie der Fall Albert Scharenberg 2007 gezeigt hat. Gesellschaftskritische Lehrstühle werden gestrichen oder ihr wissenschaftlicher Zweck durch das Präsidium umbestimmt, wie beim Lehrstuhl für Kritische Psychologie 2009 oder demnächst beim Lehrstuhl für politische Ideengeschichte.

Mit seiner Personalpolitik vertritt das Präsidium die politischen Interessen derer, die es gewählt haben: nämlich der sog. „Vereinte Mitte“, einer konservativ-liberalen, gut organisierten und vernetzten Gruppe von Hochschullehrer*innen, die sowohl Akademischen Senat als auch Fachbereichsräte dominiert und seit mehreren Jahrzehnten die Unternehmisierung, Homogenisierung und auch Prekarisierung der FU vorantreibt, gegen die sich das betroffene Personalratmitglied gewehrt hatte. Die erklärten Ziele der „Vereinten Mitte“ setzt das Präsidium u.a. mithilfe oben genannter Praktiken um. Die „Vereinte Mitte“ vertreibt andere Ansichten darüber, wie eine Hochschule zu funktionieren habe, vom Campus und verhindert das Aufkommen von Kritik und Gegenpositionen. Durch den Missbrauch der Personalbefugnisse reicht ihr Einfluss inzwischen weit in die anderen Statusgruppen der Hochschulbeschäftigten hinein. Somit ist der aktuelle Kündigungsversuch seitens des Präsidiums bloß ein Anzeichen dafür, was alles an der sog. Freien Universität schief läuft: Die wissenschaftliche und hochschulpolitische Pluralität wird durch ein weitgehend autonomes Präsidium eingeebnet, um ungestört die Programmatik der Vereinten Mitte durchzusetzen. Was all die Jahre als besondere Form der Hochschulautonomie verteidigt wurde, entpuppt sich als reine Autonomie des Präsidiums, ermöglicht durch die Erprobungsklausel.

Um einige der dadurch entstandenen Demokratiedefizite zu beseitigen, fordert der Allgemeine Studierendenausschuss der „Freien“ Universität im Hinblick auf die Novellierung des BerlHG die ersatzlose Streichung der Erprobungsklausel, eine klare Trennung von Leitungsorganen und Personalbefugnissen sowie eine personelle Aufteilung von Sitzungsleitung und Präsidium bzw. Dekanaten! Es ist Aufgabe einer demokratischen und gesellschaftlich progressiven Koalition im Berliner Abgeordnetenhaus, diese Forderungen umzusetzen und die Hochschuldemokratie in Dahlem wiederherzustellen.    

 

Hintergrundinformationen (alle Links zuletzt geprüft am 17.09.2019)

Stellungnahme der ver.di-Betriebsgruppe an der FU vom 13.09.2019: https://www.verdi-fu.de/wordpress/2019/09/13/skandal-kuendigungsversuch-des-praesidiums-der-freien-universitaet-berlin-gegen-mitglied-des-gesamtpersonalrats/

Teilgrundordnung der FU: https://www.fu-berlin.de/service/zuvdocs/weitere/erpromodell.pdf

Fall Albert Scharenberg 2007: https://www.spiegel.de/lebenundlernen/job/hickhack-um-juniorprofessur-linke-nummer-an-der-fu-berlin-a-503501.html

Programmatik der Vereinten Mitte: http://page.mi.fu-berlin.de/jhs67/vm/Programmatik.pdf