Stellungnahme des AStA FU zum Furios Artikel über die Gothia

Studentenverbindungen dienen oftmals als Orte der Organisierung einer elitären neurechten Jugend, so auch die pflichtschlagende Burschenschaft Gothia in Zehlendorf, deren Verbindungshaus unweit der FU Berlin gelegen ist. Durch vergleichsweise günstige Zimmer und dem Angebot von geselligem Beisammensein versuchen Burschenschaften wie die Gothia immer wieder, männliche Studenten für sich und ihre Ideologie zu gewinnen.
 
Als einzige Burschenschaft in Berlin, die auch Mitglied der offen rechten Gruppierung innerhalb des Dachverbands Deutsche Burschenschaft (DB), der sogenannten Burschenschaftlichen Gemeinschaft, ist [1], nimmt die Gothia eine besondere Rolle innerhalb der Landschaft deutscher Studierendenverbindungen ein.
So weist sie etwa personelle Überschneidungen mit der mindestens in Teilen faschistischen AfD, ihrer radikaleren Jugendorganisation der Jungen Alternative (JA) sowie der völkischen Identitären Bewegung (IB) auf [2]. Nicht selten überlässt sie diesen und weiteren rechten Gruppierungen (wie z.B. dem Ring freiheitlicher Jugend, einer Jugendorganisation der FPÖ) Räumlichkeiten für Treffen und Klausurtagungen oder veranstaltet Saufgelage im eigenen Garten mit Gleichgesinnten [3].
 
Vor allem die Junge Alternative (JA) dient als ein Karrierenetzwerk für Burschenschaftler der Gothia und schlägt damit eine Brücke zu der parlamentarischen Neuen Rechten und außerparlamentarischen rechten Strukturen in Deutschland und darüber hinaus [4]. So haben etwa einige (ehemals) führende Mitglieder der Gothia eine Stelle in der Bundesgeschäftsstelle der AfD oder im Abgeordnetenhaus in Berlin für eben diese Partei angetreten [5]
 
Studierendenverbindungen bilden (mit wenigen Ausnahmen) ein breites Spektrum rechter Einstellungen - vom Konservatismus bis zum (halb)offenen Faschismus - ab. Die Berliner Gothia befindet sich am rechten Rand dieses Spektrums, was sich in den oben genannten Verbindungen zu anderen rechten Gruppierungen und einer völkischen Ideologie zeigt. Grundlage dieser sind u.a. militaristische Propaganda, offener Antisemitismus, Rassismus und Nationalismus sowie Misogynie und eine revisionistische Geschichtsauffassung [6].
 
An der FU gibt es eine gewisse antikorporationistische Tradition, die sich aus der Rolle der Studentenverbindungen im Nationalsozialismus ergab. Während in vielen westdeutschen Universitätsstädten die Verbindungen nach 1945 schnell wieder öffentlich auftraten, bleibt an der FU das "Farbentragen" bis heute unerwünscht [7]. Dies liegt nicht zuletzt an studentischem Engagement, so versuchte der AStA der FU 1949 sogar (erfolglos), einen Unvereinbarkeitsbeschluss von FU-Mitgliedschaft und Zugehörigkeit oder Unterstützung einer schlagenden oder farbentragenden Verbindung zu erwirken. Im Unialltag werden Burschenschaftler durch das Verbot des "Farbentragens" im Prinzip unsichtbar, ihre Ideologie bleibt jedoch weiterhin gefährlich.
Dies macht deutlich, wie überaus problematisch der in der FURIOS-Ausgabe 24 (Wintersemester 20/21) und zusätzlich am 12.03.2021 online erschienene Artikel über die Burschenschaft Gothia der Campuszeitschrift FURIOS ist. 
 
Eine kritische Berichterstattung, Sichtbarmachung und Einordnung der Ideologie(n) und Praktiken von Burschenschaften und anderen Verbindungen ist grundsätzlich begrüßenswert. Leider ist dieser Artikel meilenweit von diesem Anspruch entfernt. Vielmehr stellt er in erster Linie eine Bühne zur Selbstdarstellung und -werbung der Gothia dar. Insbesondere dann, wenn der Artikel mit einer so unkritischen Überschrift „Wir wollen nur in Ruhe saufen“, ein Narrativ der Gothia übernimmt. Auch bei weiteren Zitaten bleibt eine kritische Kommentierung und Einordnung in rechte Gedankenwelten aus. Sätze wie „zum Holocaust etwa bilde er sich seine eigene Meinung, indem er beiden Seiten zuhöre. 'Die Wahrheit wird wohl irgendwo dazwischen liegen'“ sind eine eklatante Verharmlosung, wenn nicht, Leugnung der Shoah. Zwischen welchen beiden Aussagen hier die Wahrheit angeblich liegen soll, wird offen gelassen, weckt allerdings sofort Assoziationen zu antisemitischen Verschwörungsideologien/-erzählungen. Hier nicht weiter nachzuhaken und die Aussage einzuordnen, ist journalistisches Totalversagen. Dies ist einem Campusmagazin mit einem emanzipatorischen Anspruch wie der FURIOS nicht angemessen. Die zu diesem Artikel abschließenden Autorenfenster mit vermeintlich lustigen Sprüchen wie: "[...] ist weder für Hitler noch für Stalin, sondern für mehr Käse auf Fertigpizzen." unterstreichen nur die unkritische Herangehensweise der Redaktion des Campusmagazins.
Die einzige differenzierte Einordnung des Gedankenguts der Burschenschaft erfolgt von einem Historiker der Freien Universität, wirkt im Kontext des Artikels allerdings eher wie eine unter vielen möglichen Einstellungen, obwohl  seine Aussagen eher etwas wie einen demokratischen Minimalkonsens darstellen.
Das Referat für Antifaschismus des AStA FU wurde sogar von einem der Redakteure bezüglich des Artikels angefragt. Der AStA bekundete auch Interesse an einem Interview, doch auf eine Antwort warten wir bis heute.
 
Auf allen Social-Media Kanälen, auf denen dieser Artikel gepostet wurde, gab es umfassende Kritik, auf die die Redaktion bislang nicht eingegangen ist. Wir schließen uns dieser an und fordern eine Stellungnahme der FURIOS, wie es zu so etwas kommen konnte und empfehlen außerdem, diese Posts zu löschen und den Artikel von der Internetseite der FURIOS zu nehmen.
 
Weitere Informationen rund um Burschenschaften und rechte Umtriebe an Universitäten findet ihr im Anti-Burschi-Reader des Antifaschismus- und Internationalismus- Referats: https://astafu.de/burschireader2013