Etwa 250 Studierende der "Freien" Universität Berlin besetzten am 14. November 2012 den Sitzungssaal des Akademischen Senats (AS) im Henry-Ford-Bau und verhinderten dadurch die Verabschiedung der seit Monaten umkämpften Rahmenstudien- und -prüfungsordnung (RSPO). Die Protestierenden überreichten FU-Präsident Peter-André Alt und Vizepräsident Michael Bongardt eine Liste mit acht Kernforderungen. Zu diesen zählt, weiterhin die Zahl der möglichen Prüfungswiederholung unbeschränkt zu lassen und von der Wiedereinführung der seit 2009 weitgehend ausgesetzten Anwesenheitspflicht abzusehen.
"Mit der geplanten RSPO soll die Verschulung des Studiums vorangetrieben und der Druck auf Studierende massiv erhöht werden", sagt Michael Beron, Referent für Lehre und Studium des AStA FU. Die Forderungen waren zuvor in einer Vollversammlung der Studierendenschaft mit 700 Teilnehmer_innen diskutiert worden und auf überwältigende Zustimmung gestoßen.
Im Anschluss zog ein Teil der Versammelten mit Musik, Transparenten und Begleitung der Berliner Polizei zum Henry-Ford-Bau. Durch schnelles und entschiedenes Handeln gelangten sie auch am Wachschutz vorbei.
Im Sitzungssaal des höchsten Gremiums der FU eröffnete Lucas Feicht, AStA-Referent für Hochschulpolitik, vom Stuhl des Präsidenten aus scherzhaft die "1. Sitzung des Freien Akademischen Senats", um auf die strukturellen Beteiligungs- und Demokratiedefizite an der FU hinzuweisen. "Seit mehr als sechs Monaten versucht das Präsidium, uns mit Scheindialogen abzuspeisen. Wir verlangen, dass unsere Forderungen jetzt in einem neuen Entwurf der RSPO aufgegriffen werden. Zudem muss ein für Alle offener Runder Tisch eingesetzt werden und eine wirklich demokratische Grundordnung erarbeitet werden.", so Feicht weiter.
Im Laufe des folgenden Austauschs verständigten sich die Protestierenden darauf, sich nicht auf ihrem Erfolg auszuruhen. Bereits am kommenden Dienstag werden sie sich wieder treffen, um sich zu organiseren und das weitere gemeinsame Vorgehen zu planen. Die Stimmung war optimistisch. "Heute haben wir gezeigt, dass nicht auf Dauer an uns vorbei entschieden werden kann.", so eine Teilnehmerin.
Die Acht Forderungen der Studierenden
1. Keine Beschränkung der möglichen Prüfungswiederholungen
Für die vorgesehene Beschränkung auf 2-3 Wiederholungen gibt es keine Begründung. Seit Jahren gibt es in den meisten Fächern keine Beschränkung, ohne, dass deshalb Prüfungen nicht ernst genommen würden. Nach dem letzten gescheiterten Prüfungsversuch folgt die Zwangsexmatrikulation und das Fach kann bundesweit nicht mehr studiert werden.
2. Keine Zwangsauflagen und -exmatrikulation für Studierende
Entgegen der Regelung im Berliner Hochschulgesetz würde nach aktuellem Stand Zwangsberatung und -exmatrikulation zwar nicht durch die RSPO, aber durch die weiterhin geltende Satzung für Studienangelegenheiten (SfS) weiter praktiziert werden.
3. Keine Anwesenheitspflicht
Das Präsidium behauptet, Anwesenheitspflicht sei nur in begründeten Ausnahmefällen vorgesehen - die RSPO würde aber zur flächendeckenden (Wieder-)Einführung und weiteren Verschulung des Studiums führen.
4. Studentische Lebensrealitäten anerkennen - Teilzeitstudium jetzt!
Die Weigerung des Präsidiums, geltendes Recht umzusetzen (die FU muss ein Teilzeitstudium anbieten), schikaniert unnötig ohnehin sozial Benachteiligte, die aus diversen Gründen (Kinder, Arbeit, Krankheit, ...) nicht in Vollzeit studieren können.
5. Recht auf Fertigstellung von Abschlussarbeiten
Die RSPO begrenzt die Verlängerung von Bearbeitungsfristen im Krankheitsfall auf max. 33% (4 Wo. bei einer Bachelorarbeit) -- danach müsste eine komplett neue Arbeit angefertigt werden. Das benachteiligt insbesondere chronisch Kranke, aber z.B. auch Unfallopfer.
6. 25 statt 30 Arbeitsstunden pro Leistungspunkt
Das Gesetz lässt für die Leistungspunktbemessung einen Spielraum von 25-30 Std. pro LP - 25 statt wie bisher 30 wären eine erhebliche Erleichterung im gesamten Studium.
7. Prüfungs- und notenfreier Anteil von 25% des Studiums - frei wählbar
Statt eines problematischen notenfreien ABV-Bereichs sollten Studierende selbst entscheiden können, welche Module sie notenfrei belegen möchten.
8. Studium Generale statt ABV
Freie Auswahl aus dem gesamten FU-Lehrangebot für mindestens 20% des Studiums statt ABV -- für ein selbstbestimmtes, interdisziplinäres Studium statt Tunnelblick und Fachidiotie.