FU-Präsident verabschiedet sich von grundständiger Lehre: Bachelor-Studierende zu schlecht für die FU Berlin?

Wenn ein Uni-Präsident von seiner Zukunftsvision für das Hochschulwesen erzählt, sollte genauer hingehört werden, denn er spricht als Lobbyist in Richtung der Politik. Erschreckend ehrlich verabschiedete sich FU-Präsident Alt am 29. Mai 2013 bei einer Podiumsdiskussion des Vereins "Berliner Wirtschaftsgespräche" von der grundständigen Lehre als Kernaufgabe der Universitäten, wie der Tagesspiegel berichtet[1]:

Peter-André Alt (…) plädierte leidenschaftlich für 'den Mut zur Aufgabenteilung'. Die Fiktion 'alle können alles' müsse beendet werden. Im Moment wollten etwa die Fachhochschulen mehr forschen und auch promovieren. 'Es mag auch stimmen, dass sie es können', sagte Alt. Doch angesichts der Studierendenmassen, die die Uniprofessoren vom Forschen abhielten, sei eine Arbeitsteilung geboten: 'Die Spitzenunis sind für die Masterprogramme zuständig, die Fachhochschulen für Bachelorprogramme – diese Debatte muss es geben.' Mit einem 'Klassensystem' habe das nichts zu tun.“ (Berliner Elite-Unis im Klassenkampf, Tagesspiegel vom 31.05.2013)

Ergänzend ließ Alt über seinen Pressesprecher mitteilen, er habe folgendes gesagt: "Nicht alle Universitäten müssen jeden Bachelorstudiengang anbieten. Sie fahren schon jetzt Überlast. Wenn es darum geht, diese zu verringern, dann sollten eher Bachelorstudiengänge an Fachhochschulen verlagert als Masterprogramme geschlossen werden."

Bereits jetzt begreift die FU insbesondere ihre Masterprogramme als “profilbildend” und investiert besonders dort. Dies geschieht zunehmend auf Kosten der grundständigen Lehre, in der teilweise nicht einmal mehr Platz für Seminare und andere betreuungsintensive Lehrformen ist. Die im März vom Akademischen Senat beschlossene RSPO trifft ausführliche Regelungen zu Klausuren im „Antwort-Wahl-Verfahren“, vulgo Multiple Choice, und weist damit den Weg in die Massenabfertigung von Studierenden. Eine zunehmende Entkoppelung von Lehre und Forschung, wie sie seit mehreren Jahren evident ist, führt dazu, dass die Lehre mehr und mehr zu einer Ausbildung verkommt. Anstatt wissenschaftliche Standards zu vermitteln und kritisches Denken zu schulen, beides konstituierend für eine Universität, steht häufig eindimensionales Bulimielernen auf dem Programm.

Die künstliche Konkurrenz zwischen verschiedenen Bildungsräumen, wie etwa Universitäten und Hochschulen, ist vor allem ein Kampf um knappe Mittel, der auf dem Rücken der Lehre und damit der Studierenden ausgetragen wird. Dies wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass die FU Gründungsmitglied des Universitätsverbands „German U 15“ ist, der sich in seiner Selbstdarstellung (http://www.german-u15.de/profil/index.html) damit brüstet, die Interessen der „13 % der deutschen Universitäten“ zu vertreten, die „40 % aller Drittmittel in Deutschland“ einwerben. Das kaum versteckte Ziel der fünfzehn Mitglieder dieser Möchtegern-Ivy-League ist, sich als Raubritter des Hochschulwesens auch nach dem Auslaufen der Exzellenzinitiative im Jahre 2017 im großen Stil Forschungsgelder unter den Nagel zu reißen. Progressive bildungspolitische Ansätze sind aus dieser Ecke indes nicht zu erwarten.

Wenn der Tagesspiegel schreibt „Die Politik muss entscheiden, wie scharf sie Mittel bei den Starken konzentriert und ob sie bestimmte Aufgaben stärker als bislang bestimmten Hochschultypen zuweist“, dann ist dies nicht ganz richtig. Universitätsleitungen wie die der FU Berlin, deren Machtfülle und Habitus der FU-Professor Bodo Zeuner nicht zu Unrecht auf den Begriff „Präsidialdiktatur“ brachte, haben scheinbar die Beantwortung dieser Frage bereits vorweg genommen. Anders ist es nur schwer zu erklären, warum das, was Herr Alt im Tagesspiegel heraufbeschwört, sich als abgeschriebener Bachelor-Student an der FU Berlin bereits jetzt sehr real anfühlt.

Den kompletten Artikel im Tagesspiegel findet ihr hier: http://www.tagesspiegel.de/wissen/zukunft-der-exzellenzinitiative-berli…

[1]: In einer früheren Version schrieben wir, Alt habe die zitierten Äußerungen im Gespräch mit dem Tagesspiegel getätigt. Tatsächlich hat der Tagesspiegel aber über die oben genannte Podiumsdiskussion berichtet. Wir danken dem Pressesprecher des FU-Präsidenten, Goran Krstin, herzlichst für den sachdienlichen Hinweis.