Four More Years? – Die vielen ungelösten Probleme des Peter-André Alt

Eine Wahl ohne Alternative und keine Spur von Aufruhr: An der FU scheint die Ruhe eingezogen zu sein. Viele ungelöste Probleme stellen aber die Frage, ob das Präsidium unter Peter-André Alt sie nicht lösen kann oder nicht lösen will. In den meisten Punkten taucht man dort einfach ab – ein Umstand der nicht nur unter Studierenden für Unmut sorgt.
Bereits bei der Wahl von Peter-André Alt zum Präsidenten der FU Berlin am 12. Mai 2010 stand ein Vorwurf besonders im Vordergrund: Der Vorwurf der Hinterzimmer-Politik und undemokratischer Verfahrensweisen, welcher sich bereits damals in der Ein-Kandidaten-Wahl zum Präsidium der FU manifestierte. Es war nicht nur der Start von Peter-André Alts Amtszeit als Präsident der FU, es war – mehr als man es seinerzeit vermuten konnte – ein Ausblick auf die folgenden Jahre unter der „Regentschaft“ von Präsident Alt. Am 30. April 2014 geht Alt, als Amtsinhaber und als einziger Kandidat, erneut ins „Rennen“.
Als sein Amtsvorgänger Dieter Lenzen vor vier Jahren vor dem stärker werdenden Gegenwind aus allen Richtungen nach Hamburg flüchtete, versuchte Alt, sich als politischen Gegenentwurf zum Basta!-Autokraten Lenzen zu inszenieren. In mit salbungsvollen Worten gespickten Rundbriefen skizzierte er das Bild einer „universitas als communitas“ und einer auf Ausgleich, Beteiligung und Dialog beruhenden Politik. Schon bald wurde aber deutlich, dass Anspruch und Wirklichkeit hier, wie so oft an der FU, weit voneinander entfernt waren. Von der, seinem vorherigen Job als Germanist geschuldeten, besseren Rhetorik einmal abgesehen, machte er genau dort weiter, wo Dieter Lenzen, prominenter Unterstützer des neoliberalen Think Tanks „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ (INSM), aufgehört hatte. Mit seinem radikalen Verständnis der Uni als Unternehmen und als Ort der Wirtschaftsnähe und der Exzellenz steht Alt wie kaum ein anderer für eine von Elitarismus und Prestige-Wahn geprägte Politik, die er selbst zweifelsfrei im Dienste der Wissenschaft sieht, die aber mit einem der Gesellschaft nützlichen Begriff von Wissenschaft nichts zu tun hat. Selbst die Probleme, mit denen sich die über 40 000 Mitglieder der FU tagtäglich unter prekären Bedingungen herumschlagen müssen, interessieren ihn dabei kaum. Der Großteil der Studierenden, Mitarbeiter_innen und Lehrenden an der FU sind einfach keine Adressat_innen seiner Politik – zumindest nicht im positiven Sinne. Sie werden immer dann „einbezogen“, wenn es um Kürzungen sowie steigenden Arbeits- und Leistungsdruck geht, der zu Gunsten von Leuchtturmprojekten an Studierende und an der FU Arbeitende durchgereicht wird. Damit bringt Alt ähnlich wie sein Vorgänger Lenzen in der Schlussphase seiner Zeit an der FU mittlerweile nicht mehr nur Studierende, sondern auch Mitglieder anderer Statusgruppen gegen sich auf. Von der Selbstinszenierung als offener Zuhörer bei Problemen und Fragen aller Statusgruppen ist kaum etwas geblieben. Vier Jahre waren Zeit genug, am Lack nicht nur zu kratzen. Der Lack ist ab.
Eine nicht enden wollende Reihe von Angriffen vor allem auf die Studierenden macht es schwierig, Alts Nichteignung für das Präsidialamt angemessen darzustellen. Räumung des Seminarzentrums, letztmalige Prüfungstermine, Hintergehen des Akademischen Senats in Sachen Systemakkreditierung, politische Zensur – diese Schlagworte sind nur eine kleine Stichprobe dessen, was sich unter der Verantwortung Peter-André Alts an der FU ereignet. Eine angemessene Aufarbeitung seiner Amtszeit würde ein Buch füllen. Ein Konflikt ist aufgrund seiner einjährigen Dauer aber geeignet, eine Ahnung der Zustände an der FU zu vermitteln: jener um die Rahmenstudien- und -prüfungsordnung (RSPO). Hier mangelte es nicht nur bis zum Schluss an einem tragfähigen Konsens aller Statusgruppen – das Präsidium unternahm von Anfang an nicht einmal den Versuch, alle Mitglieder der Universität in die Erarbeitung und Diskussion dieser weitreichenden Reform des Studiums einzubeziehen. Stattdessen wurde sie in dunklen Hinterzimmern von Studienabteilung und Rechtsamt auf Zuruf des Präsidiums zu Papier gebracht und sollte bis kurz vor der Beschlussfassung verborgen bleiben. Ein_e Whistleblower_in stach das Dokument an Studierende durch, die sich schnell ihre Meinung bildeten und Widerstand organisierten. Mehrere Semester andauernde Proteste gegen Inhalt und Form dieses Projekts waren das Resultat. In dieser Zeit erzwangen Studierende durch zahlreiche Präsenz in den Gremien Diskussionen, der Präsident sah sich veranlasst, sich auf zwei Vollversammlungen den Studierenden zu stellen. Es handelte sich nur der Form nach um Dialogbereitschaft, denn das Ergebnis stand für Alt und Seinesgleichen unverrückbar fest: Die Präsidiumsvorlage war im Wesentlichen alternativlos. Die Nebelkerzen durchschauend verhinderten die Studierenden Abstimmungen über die RSPO, blockierten Gremiensitzungen und die Räder des politischen Apparats der FU standen beinahe still. Darauf kannte das Präsidum um den konsensorierten Schöngeist Alt nur eine Antwort: Gewalt. Die Uni-Leitung bestellte eine Polizeihundertschaft zur Absicherung einer Sitzung des Akademischen Senats, von der sie – nachträglich von einer Mehrheit des Akademischen Senats gebilligt – die Öffentlichkeit ausschloss. Polizei auf dem Campus missfiel jedoch selbst einigen nichtstudentischen Mitgliedern des Akademischen Senats, sodass für eine weitere AS-Sitzung als letzter Ausweg die Flucht ins brandenburgische Teltow blieb, bewacht vom für die FU tätigen Sicherheitsdienst AWR. Im Unterschied zum üblichen Sicherheitspersonal an der FU auffällig rabiat und aggressiv agierende Mitarbeiter_innen von AWR verprügelten Studierenden und warfen anschließend den Opfern vor, Täter_innen gewesen zu sein. Das Verfahren rund um die RSPO war ein Musterbeispiel für eine Politik des fehlenden Miteinanders.
Unter Präsident Alt drehen alle Zahnrädchen im perfiden Karussell von Exzellenz und Konkurrenz ausschließlich gegeneinander, und wer diese einfache Tatsache ausspricht wird als Nestbeschmutzer diffamiert. Das trifft nicht nur Studierende: Der Informatikprofessor Raúl Rojas lehnte dankend ab, als er zum Kandiaten für die Wahl des Ersten Vizepräsidenten nominiert werden sollte: „Eine demokratische Diskussionskultur wird [an der FU] in der Wiege erwürgt. Bei einer Kandidatur hätte ich nur persönliche Angriffe zu erwarten.“ Das Gegeneinander ist unter Alt strukturell prägend für die Universität mit dem Wort „Frei“ im Namen geworden.
Statt auf die im Raum stehende Kritik einzugehen, wird von Seiten des Präsidiums regelmäßig auf die „demokratischen Entscheidungsstrukturen“ an der FU verwiesen, womit vor allem die Letztentscheidungskompetenz des Präsidiums gemeint ist. Grundlage hierfür ist die sog. „Teilgrundordnung (Erprobungsmodell)“, welche die Strukturen an der FU seit 1999 „erprobungsweise“ im Sinne einer vermeintlich besseren Steuerbarkeit anpasst. Dass das Präsidium dies als Freibrief begreift, sich gänzlich über gewählte Gremien der FU hinwegzusetzen, zeigten zwei beispielhafte Vorgänge: Das Zukunftskonzept „Internationale Netzwerkuniversität“, mit dem die FU 2012 zum zweiten Mal siegreich an der Exzellenzinitiative des Bundes teilgenommen hat, wurde ohne Beteiligung des Akademischen Senats in den Wettbewerb eingereicht. Auch der Antrag im Verfahren zur Systemakkreditierung entstand unter alleiniger Feder des Präsidiums und wurde dem Akademischen Senat erst zur Kenntnis gegeben, nachdem er eingereicht worden war. Auch ist das Präsidium nach eigener Aussage der Meinung, nur es selbst könne seine eigene Abwahl veranlassen oder eine Änderung der Teilgrundordnung veranlassen. Es ist, als erklärte die Bundesregierung, nur sie könne das Grundgesetz ändern.
Als Präsident der FU sitzt Peter-André Alt von Amts wegen dem Akademischen Senat vor. Regelmäßig diktiert er, welche Anträge auf die Tagesordnung kommen und welche nicht. Dass das Rechtsamt auf Fingerzeig des Präsidenten fadenscheinige Gefälligkeitsgutachten zur Rechtfertigung ausspuckt, vermag nicht darüber hinwegzutäuschen, dass es Anträge sind, die dem Präsidium politisch nicht genehm sind, die vom Zensor kassiert werden. Lange wurden diese Anträge dem Akademischen Senat nicht einmal zur Kenntnis gegeben, sodass eine Kontrolle der präsidialen Entscheidungen unmöglich war. Auch diesem Umstand hat die FU das vorläufige Scheitern in der Systemakkreditierung, der Zertifizierung qualitativer Mindeststandards durch die Akkreditierungsagentur AQAS, zu verdanken. Anstatt die Alarmsignale zu hören und schleunigst vom falschen Weg abzukehren, verklärt das Präsidium die Verzögerung als unbedeutende Änderung des Verfahrens. Weil nicht wahr sein kann, was nicht wahr sein darf: Die Exzellenzuniversität verdankt ihren Titel gerade jener politischen Struktur, die nun ernste Zweifel an ihrer Qualität aufkommen lässt. Wenn aber keine Veränderung des politischen Systems angestrebt wird und das Präsidium und seine AS-Mehrheit lieber den Kopf in den Sand stecken, darf man leise fragen, auf welchem unlauteren Weg die FU zu ihrer Akkreditierung gelangen will. Staatssekretär Knut Nevermann (SPD) merkte im Wissenschaftsausschuss dazu unlängst an: „Ein Dahlemer Landrecht wird es nicht geben!“
Es ist aber längst Realität, zum Beispiel in Form der politischen Zensur, mit der das Präsidium hofft, den lästigen Studierenden endlich das Wasser abgraben zu können. Mehrfach entfernte der Sicherheitsdienst Plakate, die eine Vollversammlung – immerhin ein satzungsgemäßes Gremium der studentischen Selbstverwaltung – ankündigten. Nach der Grundlage für ihr Handeln gefragt, verwiesen sie auf eine Dienstanweisung des Präsidiums, von der selbiges mit Entrüstung behauptet, sie existiere nicht. Während das Studentenwerk das Mensa-Foyer mit Rudermaschinen und ähnlichem füllt und so zum Fitness-Studio umbaut, um für den Hochschulsport und gute Laune zu werben, werden Studierende, die am selben Ort mit einem kleinen Tisch ausgestattet politisch informieren, unter Androhung von Hausverbot und Polizei davongejagt. Zuletzt versuchte Präsident Alt den großen Wurf einer neuen Wissenschaftstheorie und verstieg sich zur Aussage, Räumlichkeiten der FU würden Studierenden für Veranstaltungen nur zur Verfügung gestellt, wenn die Wissenschaftlichkeit gewährleistet sei – durch Anbindung an Lehrende der FU. An einer Universität, die sich forschungsorientierter Masterprogramme rühmt, entspringt Wissenschaft letztlich dem Prof. vor dem Namen; zumindest ein Dr. sollte es aber sein. Ehrendoktorwürden und Honorarprofessuren zählen ebenso.
Die rassistisch anmutende und mit erheblichen Zusatzkosten und Risiken verbundene Bewerbungspraxis über „uni assist e.V.“ für Studierende mit „ausländischer“ Hochschulzugangsberechtigung, die über Jahre nicht vorgenommene Bestellung eines Beauftragten für behinderte und chronisch kranke Studierende, die chaotische Rückzahlungspraxis hinsichtlich der 1996 – 2004 verfassungswidrig erhobenen Rückmeldegebühren, von Mitgliedern der Präsidiumsfraktionen im Akademischen Senat finanzierte und gesteuerte studentische Tarnlisten bei den AS-Wahlen, die eigenwillige Interpretation der AS-Geschäftsordnung durch den vorsitzenden Präsidenten, das rechtswidrige Inkraftsetzen der rechtswidrig beschlossenen RSPO, das als „vorzüglich“ bezeichnete und zu Einbußen führende Verhandlungsergebnis bei den Hochschulverträgen – die Aufzählung könnte beliebig fortgesetzt werden. Beeindruckend ist hierbei in der Tat die Masse von Verfehlungen und ungeklärten Problemkomplexen an der FU. Peter-André Alt und sein Gefolge haben es geschafft, die FU Berlin mit massiver Negativpresse zu überziehen, die FU in ihrer Integrität als „Freie Universität“ nachhaltig zu beschädigen und die FU regional und überregional zur Lachnummer werden zu lassen.
Es wird Zeit, diesem unwürdigen Treiben ein Ende zu bereiten. Dies haben vor allem auch diejenigen Mitglieder des Akademischen Senats in der Hand, die diesem Präsidium seit Jahren treu ergeben folgen und die bereit sind, jeden Blödsinn abzunicken, obwohl sie selbst vermutlich besser als viele andere wissen, dass weder Inhalt noch Form dieses Präsidiums auch nur im Ansatz etwas mit einer guten Amtsführung zu tun haben. Aus Sicht der professoralen Statusgruppe gilt seit Jahren ein ganz schlichter Gesellschaftsvertrag: Die Gremien geben ihre Rechte an das Präsidium ab, das dafür die FU sicher durch die schweren Zeiten steuert, in denen die FU von außen von Unterfinanzierung und Abwicklung bedroht ist. Das wäre als Rechtfertigung für autokratische Strukturen abzulehnen, selbst wenn es funktionieren würde. Zumindest sollte der Deal aber sein Ende finden, wenn im Gegenzug für aufgegebene Demokratie die FU trotzdem scheitert. Es ist Zeit für einen Neuanfang – die Mehrheit der 40.000 FU-Mitglieder sollte ein Interesse daran haben, dass nicht alles beim Alten bleibt. Am 30. April ist dieser Neuanfang nicht möglich, der Amtsinhaber steht als einziger Kandidat zur Wahl. Peter-André Alt wäre aber der erste Präsident einer Berliner Universität, der bis zum Ende seiner zweiten Amtszeit durchhält.