Die Berliner Campus-Card soll als elektronische Studierendenkarte den bisher gebräuchlichen Ausweis im Papierformat ersetzen, wenn es nach der Initiative einiger großer Berliner Universitäten geht. Auch das Präsidium der FU beschloss, sich an das Projektvorhaben der HU Campus-Card zu hängen und plant nach Abwarten der Testphase an 300 HU-Studierenden eine Einführung für womöglich 2016/2017. Die Funkchipkarte soll verschiedene Funktionen vereinen und Schrittweise in mehr Aufgabenbereichen eingesetzt werden. Zur Zeit ist auf dem Studierendenausweis aus Papier auch das Semesterticket enthalten und eine separate Guthabenkarte des Studentenwerks wird zum Bezahlen per Nahfunk in der Mensa verwendet. In der Anfangsphase der Studierendenkarte sollen diese Funktionen vereint werden. Der Chip soll verschiedene Bereiche unterstützen, die von Studentenwerk und Universitätsverwaltung unabhängig verwendet werden können. Im Gegensatz zum bisherigen Stand soll nun auch ein Foto aufgedruckt werden. Da noch kein elektronisches VBB-Semesterticket integriert ist und auch in der Universität die rein technische Verarbeitung der Karte nicht sofort umgesetzt werden kann, wird die Rückseite der Karte mit einem wiederbeschreibbaren Bereich ausgestattet. Dieser soll durch Aufdruck der aktuellen Gültigkeit von Immatrikulation und Semesterticket genutzt werden. Wie an der Uni Potsdam sollen für die Aktualisierung Automaten auf dem Campus bereit stehen. Somit fällt die Verschickung des neuen Ausweises weg und nur Neuimmatrikulierte sollen einen Code zugeschickt bekommen, um durch den Automaten an einen Ausweis zu gelangen. Für die zukünftige Nutzung der Karte stehen neben dem elektronischen Semesterticket auch die Abwicklung von Zugangsberechtigungen (Türen, Schließfächer etc.) und Verwendung als elektronischer Bibliotheksausweis auf dem Programm. Zur Zeit rüstet die FU ihre IT-Verwaltungsinfrastruktur um. „Die Einführung einer solchen Technik wird die Automatisierung und Rationalisierung der Universität weiter vorantreiben. Handfeste Gründe für die Abschaffung des Papierformates wurden bei einem Gespräch mit der Verwaltung nicht genannt, vielmehr wird auf eine gefühlte Antiquiertheit verwiesen und dass eine separate Mensacard Umstände mit sich bringt. Doch die elektronische Studierendenkarte ist seit den 90ern politisch gewollt und nicht aus Gründen der erleichterten Benutzung oder Heranziehung einer Kosten-Nutzen-Abwägung. Der aktuelle Ausweis kommt ohne Foto aus, die Ausweitung zu einem Lichtbildausweis entspringt einer Kultur des Misstrauens und Kontrollzwangs. Für den neuen Ausweis im Corporate Design werden technische Eigenschaften postuliert, die sich erst in einem Test beweisen müssen. Nicht alles, was für Datenschutz und Privatsphäre getan werden könnte, findet in Projektplanungen eines vereinheitlichten elektronischen Datenverarbeitungssystems Berücksichtigung. Schon jetzt bieten Smartphones per Nahfunk Schreib- und Lesemöglichkeiten auf der bisherigen Mensacard. Ist die neue Karte erst eingeführt, gibt es oft kein Zurück, eher wird probiert, möglichst alles über die neu eingeführte Technik abzuwickeln. Obwohl die Karte für das Studium im Vergleich zum Papierausweis keinen Mehrwert bringt, ist die Büchse der Pandora für elektronische Anwesenheitskontrollen, Datensammlerei, exklusive Gebäudebereiche und andere Kontroll- und Ausschlussmechanismen geöffnet, wie auch an anderen Universitäten beobachtet werden kann. Durch die Automaten soll Kontakt und Verantwortung von Menschen durch Maschinen abgenommen werden. Voraussichtlich bleiben nicht nur Barrierefreiheit und Benutzbarkeit auf der Stecke, sondern die Aktualisierungsterminals bilden den Flaschenhals zu Beginn des Semesters, mit Ausfällen wird zu rechnen sein. Auch die Karte ist anfällig für Defekte und der Druckbereich für das Semesterticket sensibel, was zu Unlesbarkeit bei Kontrollen führen kann“, sagt Philipp Bahrt, Referent für Kommunikation und Antirepression des AStA FU zur aktuellen Entwicklung. Schon Mitte der 80er beschäftigte sich der AStA FU mit der Einführung von neuen Technologien in Hochschulen und zur Zeit der Einführung einer Chipkarte an der TU Berlin erschien 2003 durch die Landesastenkonferenz (LAK) der »Chipkarten-Reader«, um Hintergründe und laufende Projekte zu analysieren. Kai Lüke, Referent für Kommunikation und Antirepression des AStA FU ergänzt: „An der Universität werden die nachfolgenden Eliten herangezogen und die Gewöhnung an Systeme wie der Campus-Card wird deren zukünftige Entscheidungen zu solchen Systemen begünstigen. Doch Prozesse in der Universität leben davon, dass eben nicht alle Regeln haarscharf befolgt werden, sondern Abwägung, Interpretationsspielräume und Ausnahmen möglich sind. Eine fortschreitende Computerisierung manifestiert jedoch starre, realitätsfremde Abläufe, welche Probleme verursachen und Auswirkungen auf die Lebensrealität von Betroffenen haben werden. Davon sollte abgesehen werden. Statt der Einführung einer neuen Karte ist auch eine Universität ohne Ausweis vorstellbar. Falls der aktuelle Papierausweis verbessert werden soll, kommt ein kleineres Format auf dickerem Papier genauso gut in Frage, statt ein Großprojekt mit hohen Kosten aufzufahren. Wir sprechen uns vehement gegen das Vorhaben der elektronischen Studierendenkarte und das Aufbringen eines Lichtbildes darauf aus.“