Antirassistische Praxis statt rechte Springer-Hetze – Solidarität mit dem RefRat der HU! 

Der AStA FU solidarisiert sich mit dem Referent_innen-Rat der Humboldt Universität und schließt sich der Stellungnahme der LandesAstenKonferenz Berlin an.

 

Die LandesAstenKonferenz Berlin ist in höchstem Maße schockiert über die aktuelle Debatte bezüglich einer Stellenausschreibung des Referent_innen-Rats der Humboldt-Universität. Sie verurteilt das Vorgehen der Springer-Presse sowie der Humboldt-Universität und solidarisiert sich mit den Referent*innen der verfassten Studierendenschaft der HU.

Mehrere Berichte [1, 2, 3] werfen dem Referent_innen-Rat der HU vor, in einem Einstellungsverfahren für die Anti-Rassismusberatung der verfassten Studierendenschaft weiße Menschen rassistisch diskriminiert zu haben.  Diese Rhetorik verurteilen wir aufs Schärfste. Sie eröffnet nicht nur eine rechte Hetzkampagne durch Skandalisierung von Antidiskriminierungsarbeit, sondern verkennt auch die Bedeutung der Konzepte Diskriminierung und Rassismus. Ignoriert wird zudem auch die Tatsache, dass es im öffentlichen Dienst bereits üblich ist, Stellen der Gleichstellungsbeauftragten verpflichtend mit Frauen zu besetzen. Die Inszenierung eines äquivalenten Vorgehens im Bezug auf eine Antidiskriminierungsstelle als "Rassismus gegen Weiße" dient lediglich populistischer Stimmungsmache.

Aus rechtlicher Sicht ist das Vorgehen des Referent_innen-Rats hinsichtlich Antidiskriminierungsstellen legitim. Das im Diskurs viel zitierte Diskriminierungsverbot nach GG §3 (3) bzw. AGG §1 wird in der EU-Richtline 2000/43/EG §4 [4] mit folgender Begründung eingeschränkt:

  • (17) Das Diskriminierungsverbot sollte nicht der Beibehaltung oder dem Erlaß von Maßnahmen entgegenstehen, mit denen bezweckt wird, Benachteiligungen von Angehörigen einer bestimmten Rasse oder ethnischen Gruppe zu verhindern oder auszugleichen, und diese Maßnahmen können Organisation von Personen einer bestimmten Rasse oder ethnischen Herkunft gestatten, wenn deren Zweck hauptsächlich darin besteht, für die besonderen Bedürfnisse dieser Personen einzutreten.

Es gilt, dass die Stelle am Referent_Innen-Rats der HU sich an diskriminierte Studierende richtet und damit eine Fachstelle für spezifische Aspekte der Diskriminierung ist. Mit der Begründung des Referent_innen-Rats der HU, dass aus ihren Erfahrungswerten die Betroffenensicht bei Berater*innen wichtig sei, ist eine sachliche Rechtfertigung für das spezifische Einstellungskriterium gegeben. Nach der EU-Richtline 2000/43/EG[4]: 

  • (18) Unter sehr begrenzten Bedingungen kann eine unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt sein, wenn ein Merkmal, das mit der Rasse oder ethnischen Herkunft zusammenhängt, eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern es sich um einen legitimen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt. Diese Bedingungen sollten in die Informationen aufgenommen werden, die die Mitgliedstaaten der Kommission übermitteln.

Dieser Auffassung schließt sich auch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes an [5]. Einen entsprechenden Vermerk einzufügen, in einer Ausschreibung für eine Stelle, die spezifisch Schwarzen Studierenden und Studierenden of Color helfen soll, ist demnach angemessen. Der Vermerk ist vor allem dann nachvollziehbar, wenn selbst die Antidiskriminierungsstelle des Bundes in ihren Leitlinien zum Ausdruck bringt, dass nicht betroffene Sozialarbeiter*innen und Berater*innen Rassismuserfahrungen viel zu oft delegitimieren [6].

Umso besorgniserregender ist das ignorante Verhalten der Pressestelle der Humboldt-Universität auf der Plattform Twitter. Dort äußerte sie sich entschuldigend unter einem Tweet des kritikwürdigen Vereins Deutscher Sprache (VDS) [7]. Dies ist unter mehreren Gesichtspunkten problematisch: Erstens handelt es sich nach Einschätzung zahlreicher namhafter Linguist*innen beim VDS um einen Verein, der sich immer wieder nationalistischer Tendenzen bediene und "Musterbeispiel für einen intoleranten, unaufgeklärten Sprachpurismus“ sei [8], wie in einem offenen Brief an den Präsidenten des deutschen Hochschulverbandes zu lesen ist. Demnach ist es für eine wissenschaftliche Institution wie die HU unangebracht, Anschuldigungen einer solchen Vereinigung Beachtung zu schenken. Zweitens zeugt die Forderung der HU nach Änderung der Stellenanzeige davon, wie wenig antidiskriminierungssensibel die Hochschulstruktur bislang ist. Anstatt der eigenen Studierendenschaft in der Antidiskriminierungsarbeit gegen eine rechte Hetzkampagne beizustehen, fallen sie auf den populistischen Diskurs um ein fingiertes Problem herein.

Doch nicht nur die Pressestelle der HU, sondern auch Politiker wie Kai Wegner und Adrian Grasse der CDU fallen durch ihre polemischen und unqualifizierten Beiträge auf. Hier melden sich weiße Menschen zu Wort, die sich an keiner anderen Stelle für Antidiskriminierung einsetzen, um mit populistischer Rhetorik den Diskurs nach rechts zu verschieben. Besonders im aktuellen Kontext schlimmer weltpolitischer Ereignisse empfinden wir es als äußerst niederträchtig, wenn Politiker*innen wie Kai Wegner oder Adrian Grasse "Rassismus an Weißen" erfinden und zu ihrem Thema erklären. Wir empfehlen den Akteur*innen außerdem, sich eingehender damit auseinanderzusetzen, welche Personen im Diskriminierungskontext als "weiß" gelten.

Die LAK Berlin fordert die Hochschulen auf, insbesondere die HU, sich aktiv mit der Antidiskriminierungsarbeit ihrer Studierendenschaft zu solidarisieren. Wenn die Hochschulen Antidiskriminierung in dem Maße ernst nehmen, in dem es ihre Leitlinien behaupten,  ist das gezeigte Verhalten untragbar. Wenn die gerade erst mit der Novellierung des BerlHG beschlossenen Grundsätze im Bereich Antidiskriminierung keine leeren Hülsen bleiben sollen, so ist es zwingend notwendig, dass sich alle Beteiligten entschieden hinter jene Studierendenvertreter*innen stellen, welche den Abbau von Diskriminierung bereits aktiv praktizieren.

 

Disclaimer:

Wir möchten nicht auf Springermedien verlinken und haben uns dazu entschieden, die Links zu den Artikeln in den unten stehenden Quellen nicht aufzuführen.

 

[1] jof/mime: Nicht für weiße Bewerber. Umstrittenes Job-Angebot an HU. Morgenpost, 27.08.2021. Online unter: https://www.morgenpost.de/berlin/article233144695/Nicht-fuer-weisse-Bewerber-Umstrittenes-Job-Angebot-an-der-HU.html 

[2]Judith Sevinç Basad: Diskriminierung bei Antidiskriminierungs-Stelle: Bewerbung von Weißen unerwünscht!, BILD, 26.08.2021. 

[3] n.n.: Stelle an der HU Berlin – aber weiße Bewerber sind nicht erwünscht! BZ, 26. August 2021. 

[4] RICHTLINIE (EU) 2000/43/EG vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, 19.7.2000. Online unter:  https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2000:180:0022:0026:de:PDF

[5] Antidiskriminierungsstelle des Bundes: Leitfaden. Erste Schritte bei Diskriminierung und Weitervermittlung. Februar 2015, 2. Auflage. Online unter: https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/Leitfaeden/leitfaden_verweisberatung_20121109.pdf?__blob=publicationFile&v=4 

[6] Antidiskriminierungsstelle des Bundes: Leitfaden. Erste Schritte bei Diskriminierung und Weitervermittlung. Februar 2015, 2. Auflage. Online unter:  https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/Leitfaeden/leitfaden_verweisberatung_20121109.pdf?__blob=publicationFile&v=4

[7] @humboldtUni: Antwort auf den Tweet von VDS. 26.08.2021: https://twitter.com/HumboldtUni/status/1430848961540145158?s=20

[8] Gerd Antos et. al.: Offener Brief zur Beilage von Forschung & Lehre (7|16). 2016. Online unter: https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=&ved=2ahUKEwiD_fndrtHyAhURjqQKHcHuDysQFnoECAIQAQ&url=https%3A%2F%2Fwww.uni-giessen.de%2Ffbz%2Ffb05%2Fgermanistik%2Fiprof%2Fasclhome%2Fwimi%2Flobin%2Foffernerbrief%2Fdownload&usg=AOvVaw2cyXW5F0PlUXgs0AvPYfq6

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