Seit mehr als einem Jahr setzen sich der Arbeitskreis Hochschulpolitik sowie der AStA FU mit der Kampagne „Rechte Ideologien Exmatrikulieren“ (1) gegen die Verbreitung von rassistischem und rechtem Gedankengut durch Angestellte an der Freien Universität ein. Die Kampagne veröffentlichte ursprünglich eine Reihe an Vorfällen aus den Fachbereichen Biologie, Chemie und Pharmazie, Philosophie und Geisteswissenschaften, Mathematik und Informatik sowie dem Lehramtsstudium, welche die Größe des Problems und die tiefe Verankerung von rassistischen und diskriminierenden Strukturen an der Uni verdeutlichten. Auch andere ASten Berlins schlossen sich im Rahmen der Landesastenkonferenz mit einem gemeinsamen Statement der Kampagne an. (2)
Mit der Kampagne setzt sich der Arbeitskreis insbesondere gegen die Habilitation des Bioinformatikers und Dozenten Michael Grünstäudl ein. Trotz der Ablehnung eines interdisziplinären Habilitationsverfahrens von Seiten des Fachbereichs Mathematik und Informatik, der Aufforderung zahlreicher Instanzen der Studierendenschaft, wie dem Studierendenparlament (StuPa), der Vollversammlung der Studierendenschaft, der Fachschaftsinitiative (FSI) Biologie (3) und des AStA, sowie Protestaktionen von Seiten der Studierenden (4) soll Michael Grünstäudls Habilitationsvortrag nun am Mittwoch, den 22.02.23, stattfinden.
Der Arbeitskreis Hochschulpolitik spricht sich an dieser Stelle erneut vehement gegen die Habilitation von Michael Grünstäudl aus. Wie wir bereits in der Vergangenheit offengelegt haben, veröffentlichte Grünstäudl auf seinem GitHub Profil neben Lehrmaterialien auch Links zu neofaschistischen Videos, zum Beispiel von Martin Sellner aus der Identitären Bewegung. Zudem ist er Unterzeichner der rassistischen "Gemeinsamen Erklärung 2018", welche sich gegen Zuwanderung wendet. Weitere Unterzeichner sind zum Beispiel Thilo Sarrazin und Max Otte.(5)
Grünstäudl reagierte ohne Ernsthaftigkeit auf die Erklärung der Kampagne „Rechte Ideologien Exmatrikulieren“ und übernahm keine Verantwortung für die Verbreitung und Unterstützung von rassistischem und neofaschistischem Gedankengut. Stattdessen veröffentlichte er eine defensive Stellungnahme, in der er dem AStA FU eine „Cancel Culture“-Strategie vorwarf.(6) Das „Netzwerk Wissenschaftsfreiheit“, welches ihn daraufhin verteidigte, nahm neben Grünstäudl auch die rassistischen (ehemaligen) Professoren Martin Wagener und Egon Flaig in Schutz.(7) Wagener veröffentlichte unter anderem die Bücher „Deutschlands unsichere Grenze: Plädoyer für einen neuen Schutzwall“ und „Kulturkampf um das Volk: Der Verfassungsschutz und die nationale Identität der Deutschen“, wobei letzteres vom Bundesamt für Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft wurde. Egon Flaig verharmlost in seinem Buch „Weltgeschichte der Sklaverei“ koloniale Verbrechen und vertritt islamfeindliche Ansichten. Auch bei der Stellungnahme zu Egon Flaig verwendet das „Netzwerk Wissenschaftsfreiheit“ das Narrativ eines „aktiven Cancelns“(8) von Seiten des AStA der Universität Osnabrück.
Auf Rassismus- oder andere Diskriminierungsvorwürfe mit dem Vorwurf der „Cancel Culture“ zu reagieren, ist eine rechte Strategie, die eine tiefgehende Auseinandersetzung mit der Problematik menschenfeindlicher und rassistischer Inhalte verhindert und damit antirassistische und antidiskriminatorische Bewegungen ausbremst. Wer Cancel Culture betreibe, sei nach dieser Logik grundsätzlich im Unrecht und gegen Meinungsfreiheit oder gar selbst diskriminierend unterwegs. Anstatt Bedenken und Gewalterfahrungen von Betroffenen ernst zu nehmen, wird auf die angeblich gefährdete Meinungs- bzw. Wissenschaftsfreiheit verwiesen. Dass die Äußerung des Wunsches nach aktiver Antidiskriminierung und das Fordern einer klaren Position gegen Faschismus theoretisch im Sinne des "Diversity-Konzepts" der Universität sein sollte, gerät so in den Hintergrund.
Wir halten an der Position fest, dass Faschismus keine Meinung, sondern ein Verbrechen ist, und fordern eben im Sinne einer möglichst freien Wissenschaft, von der alle profitieren, keinen Platz für rechte Ideologien. Wissenschaft war und ist niemals neutral, objektiv, frei von Politik, sondern prägt und ist geprägt von Ideologien und der Gesellschaft, in der sie stattfindet. Umso wichtiger ist es also, diese Ideologien genau zu begutachten und frühzeitig zu handeln.
Grünstäudls Stellungnahme hat verdeutlicht, dass er nicht bereit ist, sich mit seinem problematischen Verhalten auseinanderzusetzen. Seine Lehrposition bedeutet für Studierende damit auch weiterhin ein Risiko, Diskriminierung ausgesetzt zu sein. Darüber hinaus verleiht ihm eine Habilitation in besonderem Maße akademische Autorität, welche er für die Verbreitung seiner politischen Ansichten nutzen kann.
Die Habilitation eines Dozenten, der rechte und diskriminierende Inhalte verbreitet, steht damit für eine weitere Institutionalisierung von rechter Ideologie an der Universität und in der Gesellschaft. Grünstäudl ist kein Einzelfall. Die Strukturen der Universität und unserer Gesellschaft verlaufen auch heute noch entlang rassistischer und diskriminierender Hierarchisierungen und Ausschlüssen. Grünstäudls Habilitation ermöglicht in diesem Kontext weitere gesellschaftlicher Akzeptanz rassistischer Überzeugungen. Diese zunehmende Akzeptanz stellt insbesondere an einer Universität, die als Ort der Bildung und Forschung für den Einsatz für zunehmender sozialer Gerechtigkeit stehen sollte, ein großes Problem für die Zukunft von Engagement gegen Rassismus und Diskriminierung dar. Das Selbstbild der sogenannten Freien Universität als inklusiver, diverser und offener Ort sollte sich auch in deren personeller Zusammensetzung widerspiegeln.
Wir fordern euch auf, diese Stellungnahme zu teilen und euch damit gegen die Habilitation von Michael Grünstäudl auszusprechen.
Arbeitskreis Hochschulpolitik
AStA FU Berlin
Landesastenkonferenz Berlin
Referenzen:
(1) https://astafu.de/rechte-ideologie-exmatrikulieren
(2) https://www.lak-berlin.de/rechte-ideologie-exmatrikulieren
(3) https://astafu.de/fsi_bio_gruenstaeudl
(4) https://astafu.de/gruenstaeudl_update
(5) https://www.erklaerung2018.de/
(6) https://www.netzwerk-wissenschaftsfreiheit.de/wp-content/uploads/2022/04/Gruenstaeudl_Stellungnahme_23Feb2022.pdf
(7) https://www.netzwerk-wissenschaftsfreiheit.de/presse/stellungnahmen-und-offene-briefe/