Stellungnahme zur Zwangsexmatrikulation

Am 21. Februar hat der Referent*innenrat (AStA) der Humboldt-Universität eine Stellungnahme veröffentlicht, die ihr hier findet: https://astafu.de/node/595 

Wir schließen uns dieser Stellungnahme vollumfänglich an und lehnen die Wiedereinführung des Ordnungsrechtes und der Möglichkeit zur Zwangsexmatrikulationen durch die Hochschulen entschieden ab. Auch wir sehen darin keine geeignete Maßnahme zum Schutz von Studierenden, sondern den repressiven Versuch der autoritären Disziplinierung der Studierendenschaften. Wie der RefRat schreibt: "Politische Meinungsäußerungen aber zum Gegenstand von Repressions- und Ordnungsmaßnahmen zu machen und diese pauschal zu diffamieren, ist ein autoritärer Rückschritt, der Hochschulen nicht zu einem sichereren oder diskriminierungsfreieren Ort machen wird.

Im Folgenden wollen wir die Begründung des RefRats um einige Absätze ergänzen, die die spezifische Situation an der FU thematisieren.

1. Zwangsexmatrikulation: Repression nur gegen Studierende

Dass an der FU seit Jahren rechte, antisemitische, rassistische und verschwörungstheoretische Inhalte geduldet werden, zeigen diverse Fälle [FN1]. So war der ehemalige Vorsitzende der Jungen Alternative lange Zeit als Tutor am Mathe-Fachbereich beschäftigt [FN1]. Die Fachschaftsinitiative des Otto-Suhr-Instituts kritisiert schon länger die Beschäftigung einer verschwörungstheoretischen Privatdozentin, bei der Antisemitismus in Lehrveranstaltungen auf der Tagesordnung steht [FN2]. Am Biologie-Fachbereich durfte 2022 - trotz heftigem studentischen Protest - ein Dozent habilitieren, der auf seiner Lehr-Homepage Videos der rechtsextremen und antisemitischen Identitären Bewegung verlinkte und auch in seinen Lehrveranstaltungen sexistische und rassistische Inhalte verbreitete [FN2]. Auch studentische Gruppen an anderen Fachbereichen berichten regelmäßig von sexistischen, queerfeindlichen und rassistischen Aussagen in Lehrveranstaltungen und auf dem Campus im Allgemeinen. Im besten Fall reagieren die Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten mit einer "Dokumentation" der Fälle - eine Reaktion der Uni über das bloße Strichlistenführen hinaus bleibt jedoch in jedem einzelnen Fall aus.

Zwangsexmatrikulationen lassen sich nicht gegen rechte Mitarbeiter*innen oder Dozierende einsetzen, dieses Mittel würde ausschließlich Studierende treffen. Als solches taugt es nicht als Strategie gegen Antisemitismus, Rassismus und andere Ideologien der Ungleichwertigkeit. In den von uns angeprangerten Fällen ist die Uni hier bisher tatenlos geblieben.

2. Zwangsexmatrikulation schützt nicht.

Zwangsexmatrikulationen sind eine politisch motivierte Maßnahme, denn im spezifischen Fall einer gewalttätigen Person schützt Zwangsexmatrikulation der Täter*innen nicht vor der Gewalt. Die Universität als solche ist ein öffentlicher Raum. Jede Person hat Zutritt, unabhängig davon, ob immatrikuliert oder nicht. Möglich ist lediglich ein dreimonatiges Hausverbot, das die Uni in Fällen von Gewalt aussprechen kann. Im Gegensatz zu einer Zwangsexmatrikulation verhindert ein solches Hausverbot weitestgehend, dass sich ein*e Täter*in auf dem Campus aufhalten kann. So kann weiterer Gewalt in einzelnen Fällen vorgebeugt werden.

3. Stattdessen: Prävention, Bildung/Aufklärung und konsequente Aufarbeitung!

Wir fordern das Unipräsidium dazu auf, sich weiterhin gegen Zwangsexmatrikulation auszusprechen. Es gibt andere Mittel und Wege, kurz- und langfristig gegen Antisemitismus, Rassismus und rechte Ideologien vorzugehen.

Prävention: Wir fordern die Uni dazu auf, Gewalt und Diskriminierung jeden Ausmaßes ernst zu nehmen und geeignete Anlaufstellen dafür zu bieten. Neben Frauenbeauftragten und einer zentralen Diversitystelle braucht es spezifische Beauftragte. Die neu eingeführte Antisemitismusbeauftragte ist ein (später) erster Schritt, doch auch darüber hinaus benötigt es Beauftragte etwa für Rassismus und Queerfeindlichkeit. Studierende, die Gewalt und Diskriminierung befürchten, müssen sich an dafür zuständige Personen richten können. Dafür müssen auch die Befugnisse der jeweiligen Beauftragten erweitert werden, sodass Diversity-Arbeit nicht nur aus Falldokumentation und dem Verfassen von unverbindlichen Leitfäden besteht.

Bildung: Seit einiger Zeit verankert die Uni phrasenmäßig die Sensibilisierung für "Gender- und Diversitythemen" als Abschlussziel in Studienordnungen, doch an inhaltlichen Schritten dorthin fehlt es zumeist [FN3]. Professuren, die sich mit Gender und Diversität beschäftigen, sehen sich regelmäßig Angriffen ausgesetzt. Am Fachbereich Jura wurde im vergangenen Jahr eine Professur im Bereich der Gender Studies abgeschafft [FN4]; die Fachschaftsinitiative des Fachbereichs Physik kämpft in diesem Jahr für den Erhalt einer weiteren Gender-Professur [FN5]. Am Otto-Suhr-Institut fordert die Fachschaftsinitiative seit Jahren die Einrichtung eines Arbeitsbereichs "Ideologien der Ungleichwertigkeit", an dem Bildung unter anderem zu Antisemitismus und Rassismus stattfinden soll.

Auch Dozierende sollten entsprechende Weiterbildung erhalten. Im Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz ist als Grundlage dafür auch die verpflichtende Teilnahme an Weiterbildungen im Bereich Diversity und Antidiskriminierung für Dienstkräfte mit Vorgesetzten- und Leitungsfunktion vorgesehen [FN6]. Wir fordern die Universität dazu auf, ihrer Verantwortung und ihrem Bildungsauftrag gerecht zu werden.

Konsequente Aufarbeitung: Eine der längsten Forderungen der Studierendenschaft ist die nach konsequenter Aufarbeitung, sowohl in den bereits genannten Fällen als auch in künftigen Diskriminierungs- und Gewaltfällen. Wir wiederholen außerdem: Der Henry-Ford-Bau, benannt nach dem namensgleichen Enkel des Antisemiten und Brieffreund Hitlers Henry Ford, der den nationalsozialistischen Vernichtungskrieg finanzierte und direkt von diesem profitierte [FN7], MUSS umbenannt werden. Diese Namensgebung ist nur ein Beispiel von vielen, wo die Gegenwart und Vergangenheit des Campus einer Aufarbeitung bedarf, wie wir seit vielen Jahren ständig fordern.

Fazit

Wir schließen uns dem Statement des RefRats der HU an. Die Uni darf nicht populistischen Forderungen nachgeben. Anstelle von Repression sollte Prävention, Bildung und konsequente Aufarbeitung von Antisemitismus, Rassismus und anderen Formen diskriminierender Gewalt stehen.

Asta FU

FN1: https://astafu.de/rechte-ideologie-exmatrikulieren

FN2: https://astafu.de/node/563

FN3: bspw. Physik M.Sc.: "§2 Studienziele. Die Absolventinnen und Absolventen [...] haben ein modernes Gender- und Diversitätsverständnis [...] erlangt." (https://www.imp.fu-berlin.de/fbv/pruefungsbuero/Studien--und-Pruefungsordnungen/StOPO_MSc_-Physik-2020.pdf)

FN4: Petition der Kritischen Jurist*innen https://www.openpetition.de/petition/online/fuer-den-erhalt-der-professur-strafrecht-und-geschlechterforschung-am-fb-rechtswissenschaften-der-fu#petition-main

FN5: Offener Brief http://www.physik.fu-berlin.de/studium/fsi/offener_brief/

FN6: Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz §11, Abs. 4 (https://www.berlin.de/sen/lads/recht/ladg/)

FN7: https://astafu.de/henryford